Kiffen dürfen reicht nicht oder:
Radikale Alternativen in der Drogenpolitik

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5. Recht auf Genuß

Wie aber läßt sich ein solches Recht auf Genuß gestalten? Fest steht, daß ein Recht auf Genuß im Bezug auf die heute illegalen Drogen mit dem Betäubungsmittelgesetz nicht zu machen ist. Die elementaren Gemeinsamkeiten der legalen und illegalen Substanzen legen vielmehr eine Angleichung des Umgangs mit den heute illegalen Substanzen (Cannabis, Opiate, Kokain etc.) an den Umgang mit den legalen Drogen (Alkohol, Nikotin, Koffein etc.) nahe. Das wiederum würde bedeuten, daß man nicht nur Bier, Wein, Schnaps oder Zigaretten in dem oben bereits zitierten Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände-Gesetz (LMBG) regelt, sondern gleichermaßen Haschisch, Heroin, Crack und Ecstasy. Diese Vorstellung mag bei dem einen oder der anderen zu zahlreichen Fragen oder auch erheblichen ängsten führen. Mit neun Antworten möchte ich daher an dieser Stelle nur sehr kurz das Szenario einer überführung der heute illegalen Substanzen in das Lebensmittelrecht umreißen: 58 *

  1. Man kann die Orte des Drogenverkaufs auf bestimmte örtlichkeiten einzuschränken (z.B. Drug-Stores, Drogenkneipen).

  2. Es ist möglich, über Lizenzen die Kompetenzen und die Anzahl der Drogenhändler zu bestimmen und zu überprüfen.

  3. Unter Zuhilfenahme z.B. der Jugendschutzgesetze oder der Straßenverkehrsordnung lassen sich - wie für Alkohol und Tabak - bestimmte Einschränkungen des Konsums definieren.

  4. Es lassen sich Drogen-Steuern erheben, die z.B. zweckgebunden in ein Drogenhilfesystem zurückfließen könnten.

  5. Vermarktungsorientierte Werbung kann verboten werden bei gleichzeitiger Zulassung von Aufklärungsmaterial.

  6. Den Drogenherstellern kann auferlegt werden, die Drogenverpackungen mit speziellen Gebrauchsanweisungen, mechanischen Sicherheitsvorkehrungen (Kindersicherung) oder auch mit Warnhinweisen (etwa nach dem Vorbild von Zigarettenpackungen) zu versehen.

  7. Die Lebensmittelüberwachung übernimmt die Qualitätsüberwachung der hergestellten Drogen.

  8. Die übliche Produkthaftung tritt für Schäden ein, die durch fehlerhaft hergestellte Produkte entstehen.

  9. Alle sonstigen Schädigungen der Konsumenten werden, wie bei den Konsumenten von Alkohol und Tabak, über die Krankenkassen abgerechnet.

Die Vorteile einer solchen Handhabung der heute illegalen Drogen sind folgende:

  1. Man erhält - im Gegensatz zur heutigen Situation - eine weitestgehende (Qualitäts-)Kontrolle über die verkauften Substanzen.

  2. Man erhält - was in der Illegalität erfahrungsgemäß unmöglich ist - eine umfassende Kontrolle über die Hersteller, Vertreiber und Händler von Drogen sowie in gewissem Maße auch über den Preis der Substanzen.

  3. Man sichert die Autonomie der Konsumenten sowohl in Hinblick auf die Entscheidung, welche Drogen konsumiert werden, als auch in Hinblick auf die Entscheidung einer vom Konsumenten für sinnvoll erachteten Beratung, Behandlung oder Therapie durch einen Arzt oder eine Hilfsinstitution.

  4. Die Gesellschaft als ganze profitiert von der erfolgten Legalisierung in Form von Einsparungen im Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbereich sowie der Tatsache, daß die Konsumenten und Abhängigen nicht mehr dazu gezwungen sind, sich die finanziellen Mittel mit Hilfe von Beschaffungskriminalität zu sichern. Die mit bis zu zwei Dritteln mit Drogenkonsumenten belegten und zum Teil überfüllten Gefängnisse werden sich leeren. Zum einen deshalb, weil die Drogen und der Verkehr mit ihnen nicht mehr verboten sind, zum anderen aufgrund der Tatsache, daß die sogenannte Beschaffungskriminalität nicht mehr notwendig ist. Darüber hinaus wird der Staatshaushalt geringer belastet, da die notwendig gewordenen Maßnahmen weitgehend aus den Drogensteuereinnahmen bestritten werden können. Rufus King 59 * bezeichnet diese Einsparungen wohl mit einigem Recht als peace dividends, als Friedensdividenden.

Diese Aussagen dürfen freilich nicht dahingehend mißverstanden werden, daß mit Drogenfreigabe und offener und ehrlicher Drogenerziehung alle Probleme, die Menschen mit Drogen haben können, verschwinden werden. Im Gegenteil: Weiterhin wird es Drogenabhängige geben, aber niemanden, der illegales, mit Strichnin oder Waschpulver gestrecktes Schwarzmakt-Heroin oder -Kokain in Bahnhofstoiletten konsumieren muß. Weiterhin wird es einige Straftaten unter dem Einfluß von (Alkohol und anderen) Drogen geben, aber niemanden, der durch die Prohibition und die damit zusammenhängenden hohen Drogenpreise gezwungen wird, sich das Geld für seine Droge zu erstehlen, mit Prostitution oder Apothekeneinbrüchen zu erwirtschaften u.s.w. Weiterhin wird es auch Hilfe- und Therapieeinrichtungen geben müssen, aber niemand wird mehr zwangsweise in sie eingeliefert oder eingesperrt. Schließlich wird es auch weiterhin Drogenberatungsstellen geben, aber vielleicht würden diese dann Drogen-Beratung im eigentlichen Sinne des Wortes betreiben.

 

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58
Schmidt-Semisch, H. (1994): Die prekäre Grenze der Legalität. DrogenKulturGenuß, München, S. 180-318
59
King, R. (1990): Legalization of Gambling as a Model for Drug-Law Reform, in: Trebach, A.S.; Zeese, K.B. (Eds.) (1990): The Great Issues of Drug Policy, Washington, S.12-17