DrogenGenussKultur |
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DrogenGenussKultur |
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Kaffe und Tabak aus kultur- und Sozialgeschichtlicher Sicht |
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9. Kulturelle ArtefakteKaffee und Tabak schlugen sich in einer Vielzahl von Werken der angewandten und bildenden Kunst, aber auch der Literatur und Musik nieder. Alle hier aufzuzählen und ihre Geschichte und Bedeutung zu erläutern würde Umfang und Ziel dieser Arbeit bei weitem sprengen. Deshalb sollen repräsentative Schlaglichter und Beispiele verschiedener Gebiete hier ausreichen. Diese sollen verdeutlichen, wie stark sich die Gesellschaft künstlerisch mit den Drogen und den benötigten Konsumgeräten auseinandersetzte. Dabei wird ebenfalls der starke Einfluß von Drogen auf die Gesellschaft deutlich, der nicht selten auch eine Anregung zur künstlerischen Auseinandersetzung war. Letztlich ist die Vielzahl der künstlerischen Artefakte ein Zeichen für die starke kulturelle Integration von Kaffee und Tabak.
9.1. KaffeeZunächst einmal waren die Konsum- und Zubereitungsgeräte des Kaffees Objekte der angewandten Kunst, was vor allem für Geschirr und Kaffeemühlen gilt. Sie reichen von einfachsten Gegenständen aus Zinn bis hin zu äußerst prachtvollen, eher der Repräsentation dienenden Kannen und Tassen aus feinstem Porzellan mit Goldverzierungen oder gar aus Gold gefertigten Trinkutensilien, wie z.B. das Kaffeezeug von August dem Starken, Kurfürst von Sachsen (als Friedrich August I.) sowie später ab 1697 König von Polen und Großherzog von Litauen (als August II.) in Personalunion. Zubereitet wurde der Kaffee meist in einem Topf über dem Feuer. Man kochte ihn im 17. und 18. Jahrhundert meist wirklich auf, das Brühen in unserem heutigen Sinne war eher ungebräuchlich. So ist den auch das Kaffeeservice als Sammlung zueinander passender Trinkgeräte vor allem Zielpunkt der Ausgestaltung. Im Kern bestand es aus der Kaffeekanne und mehreren Tassen oder "Cöpchen" und zugehörigen Untertellern. Abb. 24: Kaffeeservice, um 1785
Abb. 24: Kaffeeservice, um 1785 Wie oben schon erwähnt, bedienten sich einfache Leute des preiswerten Zinngeschirrs. Mit der Erfindung des Porzellans benutzte man dieses immer öfter als Material für Kaffeegeschirre vor allem für die der Bessergestellten. Die Porzellanmanufakturen boten eine Vielzahl von Services in unterschiedlichen Ausführungen und Preislagen an. Bezeichnend für die Rolle des Kaffees als geistaufhellendes aber auch erotisierendes Element ist das Faktum, daß sich in den Angeboten oft zusammenpassende Kaffeegeschirre und Schreibzeuge finden. Kaffeetrinken diente eben nicht nur dem reinen Vergnügen, sondern der Erhellung des Geistes.
Abb. 25: "Kaffeetrinkerin" um 1765/66 Damit wollte man nicht nur "helle Köpfe" ansprechen, sondern auch Damen, die bei einer anregenden Kaffeetasse einen Liebesbrief in ihrem Boudoire, dem sich neu gebildeten Besuchszimmer schrieben. Kaffeeservices gab es der erotischen Zeichenhaftigkeit des Kaffees entsprechend auch für zwei Personen. Die Porzellangegenstände waren oft mit erotisierenden oder orientalisch empfundenen Szenen geschmückt. Überhaupt nahm sich die Porzellankunst rege des Themas Kaffee an. Figürliche Szenen dienten zur Ausschmückung der Räume, in denen man sich zum Kaffeegenuß traf und nahmen thematisch Bezug zum genußvollen Konsum der Droge und zur Erotik. Die Objekte unter Titeln wie "Türkenpaar beim Kaffee" oder "Der Handkuß" zeigen meist orientalisch bekleidete Menschen und Paare vor oder während des Kaffeetrinkens. 222 In Grafiken und Gemälden wurde ebenfalls der Kaffee thematisiert. Es gab viele Darstellungen von Kaffeetrinkern und Kaffeehäusern in den Schriften der Debatte um die Droge. Sie sollten den Kaffeegenuß negativ oder positiv illustrieren.
Abb. 26: "Die ihren Kaffee nehmende Dame" Kreidestich von Bonnet, 1774 Viele andere Darstellungen haben rein künstlerischen Charakter und zeigen Damen und Herren u.a. beim Morgen- oder Besuchskaffee, oft wieder in Zusammenhang mit erotischem Gedankengut. Titel wie "Die ihren Kaffee nehmende Dame" oder "Der Morgenbesuch des Herrn Abbé" zeigen das sehr deutlich. Auch orientalisch anmutende Szenen erfreuten sich hoher Beliebtheit. Aufgrund der regen Auseinandersetzungen um die Droge wundert es nicht, daß der Kaffee sich besonders auf literarischem Gebiet niederschlug. So gibt es eine Vielzahl von Lob- und Schmähgedichten aus dem besprochenen Zeitraum. Ebenfalls Theaterdichter und Librettisten des 18. Jahrhunderts nahmen sich des Themas an. 223 Der Anhang enthält einige Beispiele dazu. Auf musikalischem Gebiet kam der Kaffee ebenfalls zur Sprache. Es gab kunstvolle Madrigale aber auch volkstümliche Gassenhauer zum Thema. Ein Beweis für die Bekanntheit solcher Volksweisen mag das auch heute noch gesungene Lied "C-A-F-F-E-E trink nicht soviel Kaffee" sein. Aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind vier Kaffeekantaten überliefert. Eine davon ist die berühmte Kaffeekantate von Johann Sebastian Bach, der sich als weltoffener und lebenserfahrener Mann auch dieser Thematik annahm. Seine Kaffeekantate handelt von Lieschen, daß sich von ihrem Vater das Kaffeetrinken nicht verbieten lassen will und eine List anwendet, um ihr Ziel zu erreichen. Das Musikstück spiegelt damit zum Einen die Umstrittenheit des Kaffees wider, ist aber auch ein Loblied auf dieses Getränk, das J.S. Bach sicher auch im Familienkreis genossen haben wird. Der Text der Kaffeekantate befindet sich im Anhang. 224
9.2. TabakDie Einnahme von Tabak erfolgte im 17. und 18. Jahrhundert in Europa vorwiegend über das Rauchen der Pfeife. Im 18. Jahrhundert erlangte das Schnupfen daneben Bedeutung. Beide Formen erforderten Gerätschaften, die Ziel künstlerischer Gestaltung wurden. Abb. 27: Kurze europäische Tonpfeife und Rauchtabakdose 18. Jahrhundert Bereits um 1600 gab es in England Pfeifenmacher in großer Zahl, die vor allem Tonpfeifen herstellten. Die Vorbilder der Pfeifen sind bei den Indianern Amerikas zu suchen. Zunächst waren die Tonpfeifen sehr einfach geformt, im Zusammenhang mit der Anwendung verbesserter Tonsorten fertigte man ab der Mitte des 17. Jahrhunderts mit Rankenwerk verzierte Tonpfeifen. Da die Tonpfeifen keine lange Lebensdauer hatten und zerbrechlich waren, begann man ab 1700 auch mit der Herstellung von Holzpfeifen, vor allem aus Weichsel, Ahorn, Erle und Birke. Die heute gebräuchlichen Bruyèrepfeifen aus der Wurzel der Baumheide kamen erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Die Holzpfeifen waren oft mit Schnitzereien verziert, auch mit Szenen aus dem Jagd- und Wirtshausmilieu. Im 18. Jahrhundert kamen als Werkstoffe für Pfeifen noch Meerschaum und Porzellan hinzu. Doch erst im 19. Jahrhundert verzierte man diese Pfeifen kunstvoll mit Ornamenten, Bildnissen u.ä. Für den hier besprochenen Zeitraum kann festgestellt werden, daß die Pfeife vor allem Gebrauchsgegenstand und Massenartikel war. In den unteren Bevölkerungsgruppen dominierte die Tonpfeife und auch viele Begüterte gaben sich mit ihr zufrieden. 225 Anspruchsvolle Menschen in England legten um 1600 Wert auf einen Tabakkasten, der Tabak, Pfeife und Anzündmaterial aufnahm. 226 Die Schnupfkultur des 18. Jahrhunderts führte dazu, daß die Schnupftabaksdose zu einem weit verbreiteten und wichtigen Utensil wurde. Man schenkte ihr auch hohe künstlerische Aufmerksamkeit. Vor allem für Begüterte war es wichtig, mehrere reich verzierte Dosen, meist aus kostbarem Material, zu besitzen. 227 Abb. 28: "Tischgesellschaft rauchender Damen und Herren" Stich von Martin Engelbrecht, 18. Jahrhundert Ähnlich wie beim Kaffee findet man in zeitgenössischen Werken viele Abbildungen von Rauchern, auch hier meist um die Debatte um die Droge und ihren Gebrauch zu illustrieren. Viele Bilder dokumentieren das Vergnügen beim gemeinschaftlichen Rauchen. Insgesamt sah man den Tabak wahrscheinlich als so allgemein an, daß es zu szenischen Plastiken, wie denen aus Porzellan beim Kaffee nicht kam. Wegen der intensiven Debatte schlug sich der Tabak dennoch stark auf literarischem Gebiet durch. Bereits in der deutschen Ausgabe des "Misocapnus" von Jakob I. finden sich Schmähgedichte gegen den Tabak. Mit der Mäßigung der Tabakdebatte häuften sich im 18. Jahrhundert die Loblieder und -gedichte auf den Tabak, die zum Teil erhebliche Ausmaße annehmen. Als Beispiele seien hier "Curieuse Gedancken eines Tabac-Rauchers" oder "Johann Rauchwohls sinnreiches Lobe des Tabacs" genannt. (beide 1715 228 ). Auch die Entdeckung des Tabaks bedachte man mit Lobgedichten, wie die "Historie vom Ursprunge des Tabac-Rauchens" 229 (1715) zeigt. Beispiele solcher Lyrik finden sich im Anhang. Auf musikalischem Gebiet fehlte es nicht an Widmungen, ob in der Madrigalform des 17. Jahhunderts aus England oder vom schon an anderer Stelle genannten Johann Sebastian Bach. Er komponierte ein Lied "Erbauliche Gedanken eines Tabakrauchers" zu Ehren der Droge. Beide genannten Beispiele sind auf der beigelegten CD zu hören.
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