DrogenGenussKultur |
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1. Sucht und AbhängigkeitDie Begriffe Sucht und Abhängigkeit werden häufig synonym angewandt, obwohl Sucht ein veralteter medizinischer Fachbegriff ist, der eigentlich nur noch in der Umgangssprache Verwendung findet. 1 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Begriff Sucht (engl. addiction) bereits 1964 durch den Begriff der Abhängigkeit (engl. dependency) ersetzt. Dennoch werden in Deutschland heute beide Begriffe nicht nur in der Boulevardpresse, sondern auch immer noch in amtlichen Publikationen wie dem "Drogen- und Suchtbericht" der Drogenbeauftragten der Bundesregierung nebeneinander genutzt. 2 Im politischen Raum hat sich hierzulande eine Angleichung an die international übliche Terminologie noch nicht durchgesetzt.
1.1 Der Begriff SuchtDer Begriff der Sucht stammt von dem alten germanischen Adjektiv siech (krank) beziehungsweise dem Verb siechen (krank sein) ab. Im 15. Jahrhundert wurde der Begriff siech von dem Wort krank abgelöst und siech wurde besonders für den ansteckenden Zustand der Aussätzigen (Leprakranken) gebraucht, weshalb siech und siechen nicht nur eine Wortsippe mit Sucht bilden, sondern auch mit dem Wort Seuche 3 . Einige damals gebildete Krankheitsbegriffe sind auch heute noch gebräuchlich, so vor allem Bleichsucht (spezielle Form der Blutarmut), Brech- und Eßsucht (Bulimia nervosa), Gelbsucht (Hepatitis), Fallsucht (Epilepsie), Schwindsucht (Tuberkulose) oder die Wassersucht Aszites). Die Trunksucht betrachtete man bis ins 18. Jahrhundert als Laster oder verkorkste Leidenschaft. Erst im Jahre 1784, als der einflußreiche Mediziner und Sozialforscher Benjamin Rush den Alkoholismus in seiner Untersuchung über die Wirkungen des Branntweins auf den menschlichen Körper und Geist als Krankheit definierte, erhielt der Begriff Sucht seine heutige Bedeutung: krankhafte Abhängigkeit. Sprachgeschichtlich wurde die Trunksucht damit zur Brücke für einen generellen Bedeutungswandel des Wortes Sucht, denn nicht nur weitere extreme Erscheinungsformen des Drogenkonsums wurden in der Folge als Sucht bezeichnet, sondern auch zunehmend andere durch übermäßig starkes Verlangen geprägte Verhaltensformen: Eifersucht, Sehnsucht, Herrschsucht, Spielsucht, Sexsucht, Fernsehsucht, Konsumsucht, Arbeitssucht und andere mehr. Der Begriff Sucht ist im gesellschaftlichen Diskurs negativ besetzt. Besonders deutlich kann man das an Begriffsbildungen wie Geldsucht, Gewinnsucht, Rachsucht, Ruhmsucht oder Zanksucht erkennen, die alle für moralisch verwerfliche Eigenschaften stehen. Kaum eine Assoziation zu diesen Begriffen ist frei von Abneigung und Abscheu. Begriffe wie Drogensucht und weit mehr noch Rauschgiftsucht sind für nicht wenige hierzulande die verbale Verkörperung eines bedrohlichen Schreckgespenstes, das einer Sturmflut gleich die liebgewordenen traditionellen Werte der eigenen leibhaftigen Kultur hinwegfegt und wie eine Welle über die abendländische Zivilisation hinwegrollt und in der Folge nur Krankheit, Elend und Tod zurückläßt. Verkörperung dieses einst über Jahre hinweg in den Medien kolportierten Szenarios seien willensschwache, haltlose und selbstzerstörerische Drogensüchtige und asoziale, verwahrloste, verkommen und gemeingefährliche Rauschgiftsüchtige. 4 Heute werden mitunter Substanzen als Suchtstoffe oder Suchtgifte bezeichnet, die im klassischen Sinn des Begriffes Sucht überhaupt kein Suchtpotential haben. Die Klassifizierung dieser Substanzen klingt somit gefährlicher als der Umgang mit denselben ist. Zur Kontrolle und vor allem zur Verhinderung des Umgangs mit Suchtstoffen und anderen psychotropen Substanzen haben die Vereinten Nationen eine Suchtstoffkommission, ein Suchtstoffkontrollamt und ein Suchtstoffkontrollprogramm geschaffen.
1.2 Sucht (Definition gemäß WHO)Im Jahre 1952 definierte die WHO Sucht als einen "Zustand periodischer oder chronischer Intoxikation, die für das Individuum und für die Gesellschaft schädlich ist und hervorgerufen wird durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge", wobei für das Vorliegen einer Sucht das unbezwingbare Verlangen zum fortgesetzten Konsum, Dosissteigerung und psychische und/oder physische Abhängigkeit als charakteristisch galten. 5 Der Jurist Sebastian Scheerer stellt zu dieser Definition fest, daß sie vor allem unter dem Eindruck einer Besorgtheit über den Opiatkonsum zustandegekommen sei und dementsprechend auf die meisten anderen Substanzen nicht recht paßte. "So wurden Kokain und Cannabis rechtlich als Suchtstoffe behandelt, obwohl sie die Definitionsmerkmale der Sucht gar nicht erfüllten. Auch die barbiturathaltigen Schlafmittel und die stimulierenden Amphetamine schienen in den fünfziger Jahren einerseits dringend einer intensiven Kontrolle zu bedürfen, andererseits aber nach dem damaligen Stand des Wissens keine Sucht zu verursachen." Die WHO habe daher 1957 zusätzlich den Begriff der Gewöhnung eingeführt, um den aufgetretenen Widersprüchen und Irritationen entgegenzutreten. Doch auch dieser Schachzug sollte nicht alle Ungereimtheiten bei der Begriffswahl beseitigen, so daß man sich bei der WHO 1964 dazu entschloß, auf den Begriff der Sucht gänzlich zu verzichten und statt dessen von Abhängigkeit zu sprechen und zwar in ihrer Zweigliedrigkeit als psychische oder physische Abhängigkeit. 6 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Sucht 1957 folgendermaßen definiert: Sucht ist "ein Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge und ist gekennzeichnet durch vier Kriterien:
1.3 Drogenabhängigkeit (Definition gemäß WHO)Drogenabhängigkeit wurde 1964 definiert als "ein Zustand, der sich aus der wiederholten Einnahme einer Droge ergibt, wobei die Einnahme periodisch oder kontinuierlich erfolgen kann. Ihre Charakteristika variieren in Abhängigkeit von der benutzten Droge [...]" 7 Die Drogenabhängigkeit wurde dann in sieben Kategorien nach sieben Stoffgruppen respektive Stoffe eingeteilt:
Auch diese Kategorisierung löste zahlreiche Irritationen aus. So fragte man sich, warum die in ihrem Gebrauch fast ausschließlich auf den Jemen und Osten Afrikas beschränkte Khat-Pflanze als eigene Kategorie aufgenommen wurde; warum für die beiden Halluzinogene LSD und Cannabis gleich zwei getrennte Abhängigkeitskategorien eingerichtet wurden; und, nicht zuletzt, warum eigentlich Alltagsdrogen, wie etwa Nikotin oder Koffein, gar nicht erst thematisiert worden waren. Solche und ähnliche Fragen wurden von der WHO allerdings nicht erklärt, so daß zahlreiche Experten auf dem Gebiet der internationalen Drogenpolitik wie Sebastian Scheerer wohl zu recht konstatieren, alle Definitionen der WHO seien stets vom Leitmotiv geprägt gewesen, eine plausible Verbindung der vorherrschenden wissenschaftlichen Ansätze zur terminologischen Erklärung und Begründung der internationalen Suchtstoffabkommen herzustellen, da immer wieder neue Substanzen deren strengen Kontrollen unterworfen wurden. So mußte der Suchtbegriff immer weiter und notwendigerweise auch immer vager gefaßt werden. Offiziell wurde mit der Definition von 1964 die begriffliche Aufspaltung in psychische und physische Drogenabhängigkeit festgeschrieben und mit ihr ein substanzzentriertes Verständnis des Suchtbegriffs, der aber in seiner Präzisierung so undeutlich war, daß diese Definition wohl als eine strategische gedeutet werden muß, mit der "endlich der Weg frei war zur Einbeziehung aller irgendwie verdächtigen Stoffe in zukünftige Kontrollabkommen." 8
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