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1.7 Abhängigkeit - Gewichtung der Hinweise im DRUGLEXDie hochgradige Assoziation von Abhängigkeit in Bezug zu Drogen scheint ein typisch ›deutsches‹ Phänomen zu sein. Sie ist bei Jugendlichen in Deutschland mehr als doppelt so stark ausgeprägt als vergleichsweise bei Jugendlichen in den Niederlanden, Großbritannien oder Irland, so das Ergebnis einer von der EU finanzierten Fragebogenaktion bei knapp 4.000 repräsentativ ausgewählten Schülern und Schülerinnen aus dem Jahr 1997. 13 Die in Deutschland übermäßig ausgeprägte Abhängigkeitsphobie ist zu guten Teilen das Ergebnis der hierzulande üblichen Drogenaufklärung. Welchen Beitrag DRUGLEX hierzu leistet, soll in der unten stehenden Tabelle I "Substanzen und Abhängigkeitspotentiale" aufgezeigt werden. Zu jedem Stichwort ist hier der im DRUGLEX angegebene Hinweis zur Abhängigkeit aufgeführt, wobei jeweils noch ein Schlüsselbegriff oder Kommentar kursiv hinzugefügt wurde.
1.7.1 Kein Hinweis auf ein AbhängigkeitspotentialKeinen Hinweis auf ein Abhängigkeitspotential findet man bei Antidepressiva, Psychopharmaka und Sedativa, obwohl einige dieser Medikamente oft auch ohne medizinische Indikation aufgrund einer akuten Abhängigkeit eingenommen werden. Das gleiche gilt auch für das Medikament Codein. In der Party-Drogen-Szene spielen diese Medikamente jedoch kaum eine Rolle. Ebenso findet man bei Ecstasy, dem ein sehr geringes psychisches Abhängigkeitspotential nachgesagt wird und das in der Party-Drogen-Szene eine große Rolle spielt, keinen Hinweis auf ein Abhängigkeitspotential. Auch bei Kath, dessen Wirkstoff Cathinon pharmakologisch dem Amphetamin ähnlich ist, findet man keinen Hinweis auf ein Abhängigkeitspotential, obwohl eine ausgeprägte psychische Abhängigkeit beobachtet worden ist. 14 Benzodiazepinderivate sind Psychopharmaka aus der Gruppe der Tranquilizer mit anxiolytischer (Angstzustände dämpfende), sedativer (beruhigender), muskelrelaxierender (muskelentspannender) und antikonvulsiver (entkrampfender) Wirkung. Zum Abhängigkeitspotential dieser Medikamente stellt die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) fest: 15
Das Institut für Therapieforschung in München gibt in seinem jüngsten Bericht "Prävalenz des Konsums psychoaktiver Substanzen und jährliche Zahl der Behandlungsfälle in Deutschland" weit höhere Zahlen an. 16 Für die Gruppe der 18-59jährigen wird in diesem Bericht die Zahl der Personen mit einer Medikamentenabhängigkeit nach DSM-IV mit 1,4 Millionen angegeben und für die Altersgruppe der 18-69jährigen mit 1,8 Millionen. Rechnet man hierzu noch die Zahl der Medikamentenabhängigen aus der neun Millionen große Altersgruppe der 70jährigen und älteren Personen hinzu, kommt man auf eine Gesamtzahl von etwa 2,3 Millionen Medikamentenabhängige. Das Weglassen eines Hinweises auf ein Abhängigkeitspotential im DRUGLEX ist insbesondere bei den Stichworten Psychopharmaka, Sedativa, Codein und Kath als verantwortungslos zu bezeichnen.
1.7.2 Die "kann" - FormulierungDie "kann" - Formulierung vermittelt den Eindruck, daß mit einem gezielten Risikomanagement der potentiellen Gefahr einer Abhängigkeit mit Aussicht auf Erfolg entgegengewirkt werden kann. Diese Formulierung findet man bei der Volksdroge Alkohol mit einem sowohl psychisch als auch physisch ausgeprägten Abhängigkeitspotential, bei der meist verbreiteten illegalisierten Droge Cannabis mit einem geringen psychischen Abhängigkeitspotential als auch bei der meist verbreiteten Droge Koffein (unter dem Stichwort Guarana) mit einem gut dokumentierten Abhängigkeitspotential. Des weiteren findet man diese Formulierung bei den Barbituraten, die zu den schweren Beruhigungsmittel zählen und bezüglich Abhängigkeitspotential mit dem Alkohol vergleichbar sind, als auch bei den rauchbaren Formen des Kokains Crack und Freebase, deren Konsum zu einer schweren psychischen Abhängigkeit führen kann. Bezüglich Alkohol kann man bei der DHS zur Frage der Abhängigkeit 17 und zum Ausmaß des Mißbrauchs, der Abhängigkeit und Mortalität 18 folgende Erkenntnisse gewinnen:
Das Institut für Therapieforschung in München (IFT) gibt in seinem jüngsten Bericht "Prävalenz des Konsums psychoaktiver Substanzen und jährliche Zahl der Behandlungsfälle in Deutschland" weit höhere Zahlen betreffend die Alkoholabhängigkeit an. 21 Für die Gruppe der 18-59jährigen wird in diesem Bericht die Zahl der Personen mit einer Alkoholabhängigkeit nach DSM-IV mit 1,5 Millionen angegeben und für die Altersgruppe der 18-69jährigen mit 1,7 Millionen. Rechnet man hierzu noch die Zahl der Alkoholabhängigen aus der neun Millionen große Altersgruppe der 70jährigen und älteren Personen hinzu, kommt man auf eine Gesamtzahl von etwa 1,9 Millionen Alkoholabhängige. Das sind 3,0% der Wohnbevölkerung mit einem Alter über 18 Jahre. Gemäß einer Studie der Freien Universität Berlin und des Sozialpädagogischen Instituts Berlin (SPI) kann ein ›Ausstieg‹ aus dem Cannabiskonsum unabhängig von der Dauer des Konsums zu jeder Zeit errfolgen. 22 Weit mehr als 2/3 der Personen mit Cannabiserfahrung (ca. 10 Millionen Menschen haben in Deutschland schon Cannabis konsumiert) gehören zur Gruppe der ehemaligen Konsumenten. 23 Von den drei Millionen aktuellen Cannabiskonsumenten sind nach Angaben des IFT etwa 240.000 als abhängig einzustufen. Das sind 8,0% der aktuellen Konsumenten, 2,4% aller Personen mit Cannabiserfahrung oder 0,4% der Wohnbevölkerung mit einem Alter über 18 Jahre. Gut 60% der als abhängig klassifizierten Cannabiskonsumenten sind als leicht, ein Viertel als mittel und 13% als schwer abhängig zu bezeichnen. 24 Das heißt, daß gemäß DSM-IV (APA 1994) etwa 5% der aktuellen Cannabiskonsumenten eine leichte, 2% eine mittlere und 1% eine schwere Abhängigkeit von Cannabis entwickeln. Diese Zahlen beziehen sich auf den Durchschnitt aller aktuellen Cannabiskonsumenten. Von den geschätzten drei Millionen aktuellen Cannabiskonsumenten haben ca. 2,1 Millionen (ca. 70%) noch nie eine andere illegalisierte Substanz konsumiert. In dieser Gruppe liegt die Abhängigkeitsrate bei 2% und ist somit deutlich niedriger als im Durchschnitt aller Konsumenten. 25 Von den 240.000 als abhängig eingestuften Cannabiskonsumenten sind demnach 200.000 oder 82,5% Konsumenten, die Erfahrungen mit mehreren illegalisierten Substanzen haben und nur etwa 40.000 oder 17,5% Konsumenten, die keine Erfahrungen mit anderen illegalisierten Substanzen haben, also als reine Cannabiskonsumenten bezeichnet werden können (ohne Berücksichtigung eventueller Wechselwirkungen mit Alkohol oder Medikamenten). Die Wahrscheinlichkeit, eine Abhängigkeit von Cannabis zu entwickeln, ist bei Konsumenten, die außer Cannabis keine andere illegalisierte Substanz konsumieren, etwa zehnmal geringer als bei Mischkonsumenten, das heißt, Konsumenten, die auch andere illegalisierte Substanzen zu sich nehmen. Daraus folgt, daß die allermeisten Diagnosen einer Cannabisabhängigkeit nicht primär auf einen reinen Cannabiskonsum zurückgeführt werden können, sondern als Folge eines Mischkonsums gewertet werden müssen. Die Abhängigkeitsrate aufgrund eines ausschließlichen Cannabiskonsums liegt in der Wohnbevölkerung mit einem Alter über 18 Jahre somit deutlich unter 0,1% (genauer: 0,07%). Koffein ist der Wirkstoff des Kaffees. In der Broschüre "Kaffee und Gesundheit" erklärt der Deutsche Kaffee-Verband die Wirkung des Kaffees wie folgt: "Die Wirkung des Kaffees als ›Stimmungsmacher‹ läßt sich biochemisch erklären. Wie japanische Wissenschaftler herausfanden, erhöht Koffein zunächst die Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse. Dies wiederum führt zu einem Anstieg des Serotoningehaltes in unserem Gehirn. Serotonin ist ein körpereigenes Hormon, das Wohlbefinden auslöst. Es ist gewissermaßen der Stoff der Lebenslust. Sinkt der Serotoninspiegel, so steigt die Neigung zu depressiver Stimmung. Über diesen Mechanismus wirkt Kaffee ähnlich wie Zucker oder Schokolade als Stimmungsmacher." Trotz eines angeblich erhöhten Serotoningehaltes im Gehirn nach dem Genuß von Kaffee kann man in der Broschüre folgende Verlautbarung lesen: "Kaffee ist zwar ein Genußmittel, aber weit davon entfernt, eine Droge zu sein. Eine echte Abhängigkeit von Kaffee im Sinne einer Sucht gibt es nicht." 26 Der Pharmakologe Robert M. Julien stellt demgegenüber fest, daß über 80 Prozent aller Erwachsenen mehr als 200 mg Koffein täglich zu sich nehmen und deshalb könne man von einer nahezu universellen Koffeinabhängigkeit sprechen. 27 Die durchschnittliche tägliche Aufnahme der Koffein-"User" beträgt etwa 400 mg. Da Koffein auch in einigen Kombinationspräparaten, vor allem in Schmerzmitteln enthalten ist, kann sich diese Dosis noch beträchtlich erhöhen. Toleranz und Abhängigkeit entwickeln sich bei hohen Dosen schon innerhalb von sechs bis 15 Tagen. Das Abhängigkeitspotential ist geringer als bei Amphetamin. Als typische Entzugserscheinungen treten Kopfschmerzen, Müdigkeit, reduzierte psychomotorische Leistungsfähigkeit, Schlaflosigkeit, Lethargie, Angst, Übelkeit und Erbrechen auf. 28 Koffein kann auch in kleinen Mengen eine körperliche Abhängigkeit erzeugen. Die Kombination von Koffein mit Schmerzmitteln kann daher eine schwer kontrollierbare Gewohnheitsbildung und in der Folge eine Abhängigkeit erzeugen, die mit einem sehr hohen Risiko chronischer Nierenschädigungen verbunden ist. 29 Der Wuppertaler Arzneimittel-Experte Gerd Glaeske nimmt an, wie er in der "Münchner Medizinischen Wochenzeitschrift" (Bd. 138 Nr. 30, S. 520.522) schreibt, "daß bei rund 20 Prozent der dialysepflichtigen Patienten, das heißt rund 6.000 der derzeit 30.000 Patienten, die auf eine ›künstliche Niere‹ angewiesen sind, ihre Nierenschädigung auf den hohen Verbrauch von Schmerzmittel-Kombinationen, vor allem auch solchen mit Koffein, zurückzuführen ist." Er zitiert eine Auflistung, wonach "die koffeinhaltigen Präparate Tomapyrin® bzw. Tomapyrin N® und Spalt® bzw. Spalt N® die am häufigsten mißbrauchten nichtrezeptpflichtigen Schmerzmittel" sind. 30 Kokain induziert im Gegensatz zu Heroin nur eine geringe körperliche Abhängigkeit mit schwach ausgeprägten, körperlich spürbaren Entzugssymptomen. Es entwickelt sich dagegen aber eine große psychische Abhängigkeit. Die ersten Erfahrungen zeigen, daß das Rauchen von Freebase oder Crack schneller eine Abhängigkeit erzeugt als der intravenöse Drogengebrauch von Kokain. Der Zwang zur Dosissteigerung ist beim Kokaingebrauch verhältnismäßig groß und verläuft rasant Die Gefahr bei Freebase und Crack liegt vor allem im hohen Reinheitsgrad und dem raschen Wirkungseintritt. Eine Folge der schnellen Aufnahme ist eine hohe Blutkonzentration und eine unmittelbare, Kick-Wirkung. Dieser Kick läßt allerdings rasch wieder nach. Das hat zur Folge, daß das Rauchen häufig wiederholt wird. Solche Sessions, Runs oder Bings können mehrere Stunden gehen, bei manchen Drogengebrauchern auch über Tage hinweg andauern. Der Kokainbedarf kann dabei bis zu 30 Gramm betragen. Diese Dynamik der Crack-Wirkung birgt die Gefahr einer Potenzierung der Abhängigkeit und führt letztendlich dazu, daß viele Crack- und Kokaingebraucher vollständig von ihrem Konsum absorbiert werden. 31 Im DRUGLEX wird die "kann" - Formulierung in Bezug auf eine Abhängigkeitsentwicklung bei völlig unterschiedlich wirkenden Substanzen verwendet. Bei Cannabis und Koffein wird die Entwicklung respektive das Entstehen einer psychischen Abhängigkeit als mögliche Folge eines regelmäßigen Konsums dargestellt. Bei Alkohol wird lediglich darauf hingewiesen, daß eine psychische und physische Abhängigkeit entstehen kann, während bei den Barbituraten die Abhängigkeit als mögliches Werk der Substanz ("sie können eine körperliche Abhängigkeit erzeugen") beschrieben wird. Bei Crack und Freebase wird festgestellt, daß der Konsum zu einer schweren Abhängigkeit führen kann.
1.7.3 Gefahrenhinweis oder RisikohinweisEin Gefahrenhinweis oder ein Risikohinweis wird wesentlich intensiver empfunden als eine einfache "kann" - Formulierung und vermittelt den Eindruck, daß nur mit einer deutlich erhöhten Wachsamkeit und einem gut geplanten Risikomanagement die Gefahr einer Abhängigkeit abgewendet werden könne. Einen solchen Hinweis findet man bei den (stärkeren) Analgetika, bei deren Gebrauch außerhalb der klinischen Anwendung sowohl eine psychische als auch eine physische Abhängigkeitsentwicklung befürchtet werden muß als auch bei den starken Stimulanzien Crystal und Kokain, die beide ein hohes psychisches Abhängigkeitspotential haben. Bei den Analgetika (Schmerzmitteln, schmerzstillende Pharmaka) erfährt der Leser im DRUGLEX, daß die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung (z.B. bei Morphin) aufgrund der euphorisierenden Effekte gegeben sei, der Leser erfährt jedoch nicht, daß diese Gefahr in erster Linie von der Art der Applikation (Darreichung) abhängig ist. In der Schmerztherapie befolgt man deshalb einen streng gleichmäßigen Applikationsrhythmus, um Schmerzspitzen weitgehend zu vermeiden und der Entwicklung einer psychischen Abhängigkeit vorzubeugen. Bei Einhaltung der Grundregeln der Therapie mit Opiaten treten keine Abhängigkeitssymptome auf. 32 Generell wird die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit unter einer Langzeittherapie mit starken Opioiden von Narkoseärzten (Anästhesisten) als gering eingestuft. Die folgende Graphik zeigt die Einschätzung der Gefahr einer psychischen Abhängigkeit durch Fachärzte. Graphik 1: Gefahr der psychischen Abhängigkeit durch starke Opioide in der Schmerztherapie Der zu bewertenden These: "Die Gefahr der psychischen Abhängigkeit durch starke Opioide ist in der Schmerztherapie hoch" gaben 0% der befragten Ärzte ihre volle Zustimmung, 48% der Ärzte jedoch keinerlei Zustimmung. Skala: numerische Analogskala: 1: keinerlei Zustimmung, 10: volle Zustimmung 33 Die Begründung für die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung von Analgetika wie beispielsweise Morphin im DRUGLEX - euphorisierende Effekte - kann in der Form nicht durch wissenschaftliche Studien belegt werden. Eine so geartete (falsche) Darstellung dieser vor allem für Tumorpatienten wichtigen Medikamente führt leider dazu, daß eine ausreichende Schmerztherapie nicht selten ganz oder teilweise verhindert wird. Schätzungsweise 1,35 Millionen Menschen leiden in Deutschland unter schweren Schmerzen, die mit Opioiden behandelt werden müßten. Hierzu zählen nicht nur Krebsschmerzen, sondern auch Schmerzen, die andere Ursachen haben: Beispielsweise entzündliche Gelenkserkrankungen wie schweres Rheuma, degenerative Gelenkserkrankungen (Arthrosen), starke Rückenschmerzen, oft nach erfolglosen Wirbelsäulen-Operationen, Phantomschmerzen oder Polyneuropathien (schwere Nervenschmerzen). Die Mehrzahl der Patienten mit solchen schweren chronischen Schmerzen - nämlich 800.000 - könnten mit schwach wirksamen Opioiden versorgt werden, die nicht der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) unterliegen und daher auf einem normalen Rezept verordnet werden dürfen. (Diese Analgetika werden als Schmerzmittel der Stufe II bezeichnet.) Die verbleibenden 550.000 Patienten benötigen starke Opioide, die auf einem speziellen Betäubungsmittel- Rezept verordnet werden müssen (Stufe III). Doch die Realität sieht anders aus. Die jährlich in Deutschland verordnete Morphinmenge reicht allenfalls zur Behandlung von einem Bruchteil dieser Patienten aus, selbst wenn die Zahl der Opioid-Verordnungen in den letzten Jahren gestiegen ist. Schätzungsweise 200.000 Patienten erhalten schwach wirksame Opioide der Stufe II, also nur 25% der Patienten, die diese Arzneimittel benötigen. Nur 111.000 Patienten werden mit stark wirksamen Opioiden behandelt. Dies bedeutet, daß nur rund 20% der Patienten mit stärksten Schmerzen Medikamente der Stufe III erhalten, mit denen ihr Leben und Leiden wieder erträglich sein könnte. 34 Aufgrund vieler Vorurteile werden in Deutschland zu wenig Opioide verschrieben, weit weniger als in anderen Ländern. Deshalb müssen in Deutschland weit mehr Menschen leiden als in anderen Ländern. Dies zeigt der Morphinverbrauch (Kg pro Mio. Einwohner) im internationalen Vergleich (1996): Dänemark: 78,8; Kanada: 34,0; USA: 25,3; Groß Britannien: 21,9; Schweiz: 16,6; Deutschland: 10,9 Dieser Mißstand bleibt in Deutschland nicht ohne Folgen. Jedes Jahr bringen sich etwa 3.000 Menschen wegen den unerträglichen Schmerzen, unter denen sie leiden, selbst um. 35 Unter dem Stichwort Crystal (Szenename von Methamphetamin) wird auf das große Risiko einer Möglichen Abhängigkeitsentwicklung hingewiesen. Insbesondere wird auf die schnelle körperliche Gewöhnung hingewiesen, die eine Dosiserhöhung notwendig mache, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Dieses Phänomen - Toleranzentwicklung genannt - ist gemäß Definition im DRUGLEX, als auch gemäß der Definitionen von ICD-10 und DSM-IV, ein Anzeichen einer körperlichen (physischen) Abhänigigkeit. Dennoch folgt die Feststellung, daß Methamphetamin nicht körperlich, sondern nur psychisch abhängig mache. Diese Feststellung steht eindeutig im Widerspruch zur unter dem Stichwort Abhängigkeit aufgeführten Definition, eine Tatsache, die bei den Lesern nur Verwirrung hervorrufen kann. Bei Kokain wird auf das hohe Abhängigkeitspotential der Substanz hingewiesen. Zudem wird noch hervorgehoben, daß das Spritzen und Rauchen von Kokain besonders riskant sei, da die Gefahr eines erneuten Konsums und damit auch die Abhängigkeitsgefahr vergleichsweise hoch sei. Unter dem Stichwort Kokain wird an zwei verschiedenen Stellen im Text auf die Abhängigkeitsgefahr infolge des Konsums hingewiesen, wobei die eine Passage einen ganzen Absatz umfaßt. Bei den beiden Artikeln zu Crack respektive Freebase, den basischen Formen des Kokains [siehe Abschnitt 1.7.2 Die "kann" - Formulierung], findet sich jeweils nur ein kurzer Satz, der darauf hinweist, daß der Konsum zu einer schweren Abhängigkeit führen könne. Diese Art der Gewichtung in den Texten kann der trügerischen Annahme Vorschub leisten, daß der Konsum von Crack oder Freebase weniger riskant bezüglich einer Abhängigkeitsentwicklung sei, als der Konsum von Kokain-(Hydrochlorid).
1.7.4 Hinweis auf ein hohes AbhängigkeitspotentialEin Hinweis auf ein hohes Abhängigkeitspotential ohne zusätzliche Bemerkung bezüglich Risiko oder Gefahr findet man beim Nikotin, das bekanntlich sowohl eine psychische als auch eine physische Abhängigkeit hervorrufen kann. Ein so gearteter Hinweis wird zwar noch stärker empfunden als ein Gefahren- oder Risikohinweis, animiert jedoch nicht so stark zu einem effektiven Risikomanagement, da die deskriptive Art der Übermittlung des Hinweises in der Form des Indikativs keine Wahlfreiheit andeutet wie die Möglichkeitsform ("kann" - Formulierung) und auch keine Herausforderung signalisiert, wie die Begriffe Gefahr und Risiko. Bemerkenswert erscheint auch, daß bei Nikotin nur auf ein hohes Abhängigkeitspotential hingewiesen wird, jedoch nicht speziell auf die körperliche Abhängigkeit wie bei diversen anderen Substanzen, insbesondere, weil das Abhängigkeitspotential mit dem von Kokain und Amphetamin verglichen wird, wobei die beiden letztgenannten gemäß DRUGLEX nur eine psychische Abhängigkeit "erzeugen" sollen. Nikotin ist die Substanz von der gemäß IFT mehr Menschen abhängig sein sollen als von irgend einer anderen Substanz. Das IFT gibt hierzu folgende Zahlen an: 36
In der Altersgruppe der 50-59jährigen fanden sich 16,8% mit einem riskanten Konsum. Zur Extrapolation (Hochrechnung) auf die Altersgruppe der 50-69jährigen wurde angenommen, daß diese Altersgruppe ebenfalls diese Prävalenz aufweise. Nimmt man für die 70jährigen und alle älteren Personen (ca. 9 Millionen) wiederum die gleiche Prävalenz an, dann kommen noch 1,5 Millionen Menschen mit einem riskanten Konsum hinzu, so daß insgesamt mit einer Zahl von etwa 14,6 Millionen Menschen in Deutschland mit einem riskanten Konsum gerechnet werden muß. Die Zahl der Menschen insgesamt mit einem mißbräuchlichem Konsum auf derselben Art hochgerechnet liegt bei 7,2 Millionen und die Zahl der Abhängigen bei 4,7 Millionen.
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