Drogen, Politik und Polizei

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7. Resümee

Solange der heutige Rechtsstaat im Bewußtsein der Menschen als Garant von in der Verfassung genau umrissenen Rechtsgütern wie zum Beispiel die freie Meinungsäußerung und Persönlichkeitsentfaltung verankert ist, wird der soziale Frieden im Land von einer großen Mehrheit der Bevölkerung gestützt. Assoziiert jedoch die Mehrheit oder auch eine große Minderheit mit dem Rechtsstaat Begriffe wie Kronzeugenregelung, V-Leute, großer Lauschangriff, Observation, Telephonüberwachung, Rasterfahndung, etc., dann fühlen sich die Menschen gedemütigt und sehen sich nicht mehr als Teil des Staates, sondern denselben als Bedrohung und Feind.

Das BtMG ist eine Rechtsnorm, die von vielen in ihrer heutigen Form nicht akzeptiert wird, da das BtMG eine einseitige und willkürliche Beschneidung individueller Lebensgestaltung mit sich bringt. Über ein Viertel aller 18-29jährigen in Deutschland lebenden Menschen haben bereits Erfahrungen mit illegalisierten Drogen. Das heißt, daß alleine in dieser Altersgruppe etwa drei Millionen Menschen sogenannte "nicht verkehrsfähige Stoffe" konsumierten. Insgesamt haben in Deutschland bereits über zehn Millionen Menschen diese Stoffe schon konsumiert. Hier handelt es sich somit nicht um eine sogenannte "kriminelle Minderheit", sondern um einen relevanten Anteil der Gesamtbevölkerung, der sich gemäß verschiedener Untersuchungen (Rakete/Flüsmeier 1997, Tossmann 1997) aus vornehmlich schulisch gut bis sehr gut gebildeten Personen zusammensetzt.

Prinzipiell gilt für den modernen Rechtsstaat: Mit der Begrenzung des Rechts auf eine Regelung der Beziehungen zu anderen Menschen hängt ein Grundsatz des heutigen Strafrechts Zusammen: Nur ein Verhalten, das die Rechtsgüter anderer Menschen oder einer ganzen Gruppe unmittelbar beeinträchtigen könnte, kann strafwürdig sein. Es genügt dazu nicht, daß die Mehrheit einer Gruppe, selbst eine kompakte Mehrheit, ein Verhalten moralisch verurteilt. Damit wird dem Strafrecht ethische Bedeutung nicht abgesprochen. Die Menschen zu bewahren vor äußerlich zugefügtem Schaden an Leib und Leben, Freiheit, Ehre und Eigentum, ist ebenfalls eine Aufgabe der Ethik, zwar nicht der Individual-, sondern der Sozialethik. Abgelehnt wird einzig die Auffassung, die Gebote der Individualethik oder gar der Religion strafrechtlich zu sichern. Ein Blick auf das Wirken der Inquisition oder das Wüten des Strafrechts totalitärer Staaten zeigen, welche Irrwege eröffnet werden, wenn das Strafrecht das Einhalten religiöser, moralischer oder politischer Überzeugungen gewährleisten soll.

Dazu kommt, daß strafrechtliches Eingreifen nicht als erste Abhilfe dienen, sondern erst herangezogen werden soll, wenn andere Vorkehrungen sich als wirkungslos erwiesen haben. Das Gebietet der Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts. (Schultz 1997) Dies gilt insbesondere, wenn das Strafrecht, wie in den vorhergehenden Abschnitten aufgezeigt wurde, sich als ungeeignetes Instrumentarium erwiesen hat, das gesteckte Ziel zu erreichen. Trotz Anwendung des Strafrechts nahm die Zahl der Konsumenten und die Verfügbarkeit der illegalisierten Substanzen massiv zu. Der Schutz vor Abhängigkeit wie auch vor gesundheitlicher Schädigung konnte durch das Strafrecht in keiner Weise gelöst werden.

Eine Richtungsänderung in der Betäubungsmittelpolitik ist nicht nur von Nöten, um der Abhängigkeit von Drogen sowie der Verelendung von Drogenabhängigen vorzubeugen und die Zahl der Opfer zu mindern, nicht nur um der Beschaffungskriminalität den Nährboden zu entziehen, nicht nur um den Drogenschwarzmarkt auszutrocknen und somit die Einnahmequellen der "organisierten Kriminalität" abzugraben, nicht nur um Mißtrauen in der Gesellschaft sowie Verrat und Erpressung in Familien vorzubeugen, sondern vor allem auch, um ein vernünftiges und glaubwürdiges Rechtsbewußtsein in der Gesellschaft wieder herzustellen.

 

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