DrogenGenussKultur |
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Fachinformation: Kokain |
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1. SubstanzenKokain (Koks, Schnee, Freebase, Crack) ist das Hauptalkaloid der Kokastraucharten Erythroxylon coca und Erythroxylon novogranatense. Das Tropan-Alkaloid Kokain ist mit dem Atropin verwandt. 1 Im Jahr 1860 isolierte Albert Niemann im Friedrich Wöhler Laboratorium in Göttingen das Hauptalkaloid aus der Kokapflanze und gab ihm den Namen Kokain. 2 Es ist allerdings umstritten, ob Niemann tatsächlich als erstes die Isolation von Kokain gelungen ist. Diese Leistung wird auch dem deutschen Chemiker Friedrich Gädcke zugeschrieben, der schon 1855 einen Stoff, den er Erythroxylin nannte, aus dem Kokastrauch isoliert haben soll. 3 Auch dem an der Universität Pavia lehrenden Neurologen und Pathologen Paolo Mantegazza soll dies bereits im Jahre 1858 (nach anderen Quellen im Jahr 1859) gelungen sein. 4 Bei seiner mehrjährigen Tätigkeit als Arzt in Südamerika beobachtete Mantegazza die Gewohnheit der einheimischen Kokabauern die Blätter der Kokasträuche zu kauen. Im "Dienst der Wissenschaft" begann er es ihnen nachzutun mit drei Tagesdosen von je drei Gramm Kokablättern. 1859 publizierte er die Schrift Sulle virtù igieniche e medicinali della coca e sugli alimenti nervosi in generale (Über die hygienischen und medizinischen Vorzüge des Koka und die Nervennahrung im Allgemeinen), für die er eine Auszeichnung erhielt und die sowohl in Italien wie auch im Ausland für großes Aufsehen sorgte. Aufgrund der Tatsache, dass Mantegazza in seinen Schriften zwischen coca und cocaina unterscheidet, wird vermutet, dass er bereits 1859 das Alkaloid Kokain aus den Kokablättern extrahiert und selbst eingenommen hatte. 1862 beginnt Merck in Darmstadt als erste Firma mit der Herstellung von Reinkokain zu medizinischen Zwecken. In den frühen 1880er‐Jahren folgen dann zunächst Parke, Davis & Co. In Detroit und um 1900 die Nederlandsche Cocaïnfabriek in Amsterdam mit der großindustriellen Herstellung des Kokains. Bereits 1880 schlug der russische Arzt Vassily von Anrep Kokain als lokal wirkendes Betäubungsmittel bei kleineren Eingriffen vor, doch erst durch die Arbeiten des Wiener Arztes Carl Koller etablierte sich in der Medizin ab 1884 zunächst der Gebrauch als Lokalanästhetikum am Auge. William Halsted, einer der Mitbegründer der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore und sein Schüler James Corning führten Kokain im Laufe der späten 1880er‐Jahre dann endgültig als allgemeines Lokalanästhetikum ein. 5 Ab 1879 wurde Kokain verwendet, um Morphinabhängigkeit zu behandeln. Im selben Jahr entdeckte Vassili von Anrep an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg die schmerzstillende Wirkung des Kokains. Um 1884 kam es als lokales Anästhetikum in Deutschland in klinischem Gebrauch. Im Jahr 1898 beschrieb der spätere Nobelpreisträger Richard Martin Willstätter während seiner Doktorarbeit an der Universität München erstmalig die Mollekularstruktur von Kokain (wie auch von Atropin) 6 und synthetisierte mit D. Wolfes und H. Mäder 1923 erstmals die Reinsubstanz Kokain. 7 Kokain ist einerseits ein Lokalanästhetikum und andererseits ein Stimulans mit euphorisierender Wirkung. Chemisch gesehen ist Kokain der Methylester des benzoylierten Ecgonins und hat folgende Bezeichnungen:
Kokain ist ein fast transparentes, weißlich erscheinendes, kristallines Pulver, das geschnupft, injiziert oder (in basischer Form) geraucht werden kann. Unter "Koks" versteht man im Allgemeinen das Hydrochlorid des Kokains (Kokain-HCL), das zumeist geschnupft wird. Kokain-HCL ist nicht nur wasserlöslich, sondern zieht Feuchtigkeit aus der Luft an und löst sich in dieser sukzessive auf. Deshalb sollte Kokain-HCL in trockenen geschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden. Kokain schmeckt bitter und hinterlässt am Zahnfleisch, auf der Zunge und auf den Lippen vorübergehend ein taubes Gefühl (Lokalanästhetikum). Kokainhydrochlorid (Kokain-HCL) ist nicht rauchbar, da der eigentliche Wirkstoff des Kokains in dieser Form bei der Verdampfungstemperatur zerfällt. Zur Lösung dieses Problems wird das Hydrochlorid (HCL) chemisch in basische Form umgewandelt, zum Beispiel indem man das Kokain mit Amoniak versetzt. Hierzu gießt man eine Ammoniak-Lösung in die Kokain-Hydrochlorid-Lösung und erhält eine Ammoniumchlorid-Lösung und darauf schwimmend die wasserunlösliche (hydrophobe) Kokain-Base. Die freie Kokain-Base, "Free Base" genannt, muss jetzt nur noch abgetrennt respektive abgeschöpft werden. Heutzutage wird das Kokain auch häufig mit etwas Wasser und Backpulver (Natriumhydrogencarbonat) versetzt. Beim Kochen der Lösung schäumt das Gemisch aus Kochsalz (NaCl) und Kokain-Hydrogencarbonat in großen Brocken auf. Während dieses Verfahrens findet ein Ionentausch statt. Aus dem Kokain-Hydrochlorid als Ausgangssubstanz entsteht das "Crack" als ein Gemisch aus Kochsalz und Kokain-Hydrogencarbonat, das Wasser verdampft bei diesem Prozess. Der Name "Crack" ist zurückzuführen auf das Knacken, das beim Verbrennen der kleinen Klumpen entsteht. Crack sind Kristallkörner ("Rocks"), welche bei 96 °C mit knackendem (to crack) oder knisterndem (to crackle) Geräusch als freie Base verdampfen. "Crack" enthält deutlich mehr Verunreinigungen als "Free Base". 8 Vorsicht: Stark schwankende Reinheitsgehalte erschweren die DosierungIm Straßenhandel zeigt sich in den letzten Jahren eine signifikante Erhöhung des Wirkstoffgehaltes von Kokain. Vor zwei Jahrzehnten pendelte der Wirkstoffgehalt von im Kleinhandel angebotenen Kokain-HCl in Deutschland gemäß Jahresberichte der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) 9 zwischen 40 % und 55 %. Nach der Jahrtausendwende sank der Wirkstoffgehalt bis zum Jahr 2006. Kokain kam damals mit einem Wirkstoffgehalt von durchschnittlich 28 % in den Handel. Seit dem hat sich der Wirkstoffgehalt mehr als verdreifacht und lag im Jahr 2021 bei durchschnittlich 86,7 %. Die Daten für das Jahr 2021 wurden am 23. November 2022 veröffentlicht. Diesbezügliche Daten für 2022 hat die Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht nicht veröffentlicht. Vergleiche hierzu Abschnitt 8. Hinweise zur Dosierung. In der Schweiz enthielten 2022 über zwei Drittel der untersuchten Proben einen Wirkstoffgehalt von mehr als 80 Prozent und gut 20 Prozent einen solchen zwischen 60 und 80 Prozent. Der Kokaingehalt der analysierten Proben variierte stark und lag zwischen 14,1Prozent und 100,0 Prozent Kokain-HCl. In der Schweiz lag im Jahr 2022 der Wirkstoffgehalt von Kokain (Angaben als Kokain-HCl) gemäß Drug-Checking-Programm von Safer Party in Zürich bei durchschnittlich 83,0 %. In der Schweiz lag dieser Wert im Jahr 2019 noch bei 80,2 %, damals ein Rekordwert. 10 Im dritten Quartal 2023 wurde ein weiter Rekord festgestellt. Der Wirkstoffgehalt lag gemäß Auswertung von Safer Party 11 in diesem Zeitraum bereits bei 87,5 %. Da die Entwicklung bezüglich der Wirkstoffgehalte von Kokain in Deutschland ähnlich verläuft wie in der Schweiz, kann davon ausgegangen werden, dass auch in Deutschland Kokain im Straßenhandel in den Jahren 2022 und 2023 im Schnitt einen höheren Wirkstoffgehalt hatte als im Jahr 2021. Kokainkonsumenten sollten deshalb beachten, dass zum Ziehen gelegte Linien in der altgewohnten Größe heute oft eine wesentlich stärkere Wirkung nach dem Konsum entfalten, als dies noch vor ein paar Jahren der Fall war – anders ausgedrückt, das Risiko beim Konsum von Kokain eine Überdosierung mit unangenehmen Nebenwirkungen zu erwischen ist größer geworden. 2022 waren 25,6 % (-6,8 % im Vergleich zum Vorjahr) aller Kokainproben, die im DIZ und bei den mobilen Drug Checkings zur Analyse abgegeben wurden, mit mindestens einer pharmakologisch wirksamen Substanz gestreckt. Es handelt sich um eine deutliche Abnahme an Streckmitteln in Kokainproben. Am häufigsten wurde auch in diesem Jahr Levamisol (bei 17,7 % der Proben) beigemischt. Weitere Streckmittel waren Lokalanästhetika, die in 3,6 % aller Proben gefunden wurden. Im dritten Quartal 2023 waren jedoch nur noch etwa 12,6 % der Kokainproben mit mindestens einer pharmakologisch wirksamen Substanz gestreckt. Kokainhydrochlorid gilt als Leistungs- und Egodroge. Von Rednern, Schauspielern und Artisten aller Art wird Kokain zur Überwindung von Unsicherheiten eingenommen. 12 Kokain erhöht die Konzentration des körpereigenen Botenstoffes (Neurotransmitters) Dopamin in synaptischen Spalten zwischen den Nervenzellen (durch eine Blockade der Wiederaufnahme in die Nervenzellen). Dopamin steht im Zentrum des Belohnungssystems des Gehirns, das heißt, es löst eine Reihe von Gehirnfunktionen aus, die mit angenehmen Gefühlen in Verbindung stehen, wie sie beim Essen, Trinken, Sex und bei sozialer Anerkennung empfunden werden. 13 Kokain ist im Urin bis zu drei Tagen nach dem Konsum nachweisbar. |
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