Drogen, Politik und Polizei

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4. Sicherstellungsmengen und Sicherstellungsfälle

Die Mengen der beschlagnahmten Drogen nennt man im Polizeijargon Sicherstellungsmengen. In den Medien wird diesen Mengen oft eine große Bedeutung beigemessen, obwohl sie wenig über die aktuelle Verbreitung einer Drogenart aussagen, da die Sicherstellungsmengen durch (manchmal zufällige) Großsicherstellungen stark beeinflußt werden.

Die Zahl der Sicherstellungsfälle zeigt, wie oft die Polizei eine kleine oder auch große Menge einer bestimmten illegalisierten Droge beschlagnahmt hat. Diese Zahl ist somit ein Indikator für die Intensität der repressiven Maßnahmen seitens der Polizei. Die Relation der Zahl der Sicherstellungsfälle zur Zahl der Konsumenten einer bestimmten Drogenart zeigt den Repressionsdruck gegenüber einer bestimmten Konsumentengruppe auf.

 


4.1. Haschisch und Marihuana

Die Gesamtmenge an beschlagnahmten Haschisch und Marihuana ist nach 1998 drei Mal in Folge deutlich zurückgegangen. Im Jahr 2001 wurden 57,4% weniger Stoff beschlagnahmt als im Jahr 1998. Im Jahr 2002 stieg die Menge dann wieder um 24,5% an und lag etwa so hoch wie im Jahr 1997. Die Mengen an beschlagnahmten Haschisch und Marihuana wariieren von Jahr zu Jahr manchmal außerordentlich stark. 1994 wurden beispielsweise über 25 Tonnen an Cannabisprodukten beschlagnahmt, zwei Jahre später, 1996, waren es jedoch weniger als 10 Tonnen. [Siehe Graphik 20]

Die Zahl der Sicherstellungsfälle blieb hingegen mehr oder weniger konstant, was auf einen gleichbleibend intensiven polizeilichen Kontrolldruck auf die Kifferszene hinweist. Auf 100 Kiffer entfiel in den letzten Jahren ziemlich genau eine Beschlagnahmungsaktion (1,0%) der Polizei, wobei aufgrund der inzwischen höher eingeschätzten Zahl der Kiffer und einer leicht abnehmenden Tendenz der Häufigkeit von Beschlagnahmungsaktionen seit dem Jahr 2000 der Wert im Jahr 2002 unterhalb der Marge von einem Prozent zu liegen kam und bei 0,8% angesiedelt war. [Siehe Graphik 21]

Graphik 20: Haschisch und Marihuana: Sicherstellungsmengen

Datenquelle: BKA, in: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 1998 bis 2002, Bonn und Berlin 1999 bis 2003


Graphik 21: Haschisch und Maruhuana: Sicherstellungsfälle

Datenquelle: BKA, in: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 1998 bis 2002, Bonn und Berlin 1999 bis 2003


 

4.2. Ecstasy

Von 1998 bis 2001 hat die Zahl der sichergestellten Ecstasy-Pillen um 991,4% zugenommen, das heiß, die Zahl hat sich im Vergleich zu 1998 innerhalb von drei Jahren verzehnfacht. Von 2001 zu 2002 hat die Zahl der beschlagnahmten Pillen dann wieder deutlich um 29,9% abgenommen. [Siehe Graphik 22] Von 1987 bis 2002 wurden in Deutschland 13.426.385 Konsumeinheiten Ecstasy beschlagnahmt.


Graphik 22: Ecstasy: Sicherstellungsmengen

Datenquelle: BKA, in: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 1998 bis 2002, Bonn und Berlin 1999 bis 2003 (Konsumeinheiten)


Die Zahl der Sicherstellungsfälle hat von 1998 bis 2000 um 135,7% zugenommen, das heißt, die Zahl hat sich mehr als verdoppelt. Diese Massive Zunahme deutet auf eine extreme Verschärfung des Kontrolldrucks auf die Szene der Ecstasykonsumenten in den letzten Jahren des ausklingenden Jahrtausends, die bekanntlich in diesem Zeitraum nicht mehr größer geworden ist. Die Zahl von 4.681 Sicherstellungsfällen bezogen auf 500.000 Ecstasykonsumenten ergibt einen Repressionsindikator von 0,9% für das Jahr 2000. In den Jahren 2001 und 2002 hat die Zahl der Sicherstellungsfälle wieder abgenommen, insgesamt von 2000 bis 2002 um 27,0%. Somit lag der Repressionsindikator im Jahr 2002 niedriger als im Jahr 2000 und lag 2002 bei 0,7%. [Siehe Graphik 23]

Graphik 23: Ecstasy: Sicherstellungsfälle

Datenquelle: BKA, in: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 1998 bis 2002, Bonn und Berlin 1999 bis 2003


 

4.3. LSD

Die Zahl der beschlagnahmten Trips schwankt von Jahr zu Jahr außerordentlich stark. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Zahl der beschlagnahmten Trips im Jahr 2000 fast verdoppelt (+91,3%), doch im Vergleich zu 1997 wurden im Jahr 2000 fast nur halb so viele Trips konfisziert (-44,0%). Im darauf folgenden Jahr 2001 waren es dann wieder fast viermal weniger (-74,0%) als im Vorjahr und ein Jahr später, 2002, waren es dann wieder fast dreimal mehr (+173,5%). [Siehe Graphik 24]

Ein Rekordergebnis erzielten die Fahnder der Polizei im Jahr 1970 mit 178.925 beschlagnahmten Trips. Im Vergleich zu den Mengen von beschlagnahmten Ecstasy-Pillen ist jedoch die Zahl der beschlagnahmten Trips außerordentlich gering, wie die folgende Tabelle zeigt.

Jahr Ecstasy (Konsumeinheiten) Trips Trips in % von Ecstasys
1999 1.470.507 22.965 1,6 %
2000 1.634.683 43.924 2,7 %
2001 4.576.054 11.441 0,3 %
2002 3.207.099 30.144 0,9 %

Graphik 24: LSD: Sicherstellungsmengen

Datenquelle: BKA, in: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 1998 bis 2002, Bonn und Berlin 1999 bis 2003


Die ersten Trips wurden 1967 beschlagnahmt (10 Stück). Seit damals hat die Polizei in Deutschland in 35 Jahren insgesamt 1.436.608 Trips beschlagnahmt. Alleine im Jahr 2002 hat die Polizei mehr als doppelt so viele Ecstasy-Pillen (Ecstasy-Konsumeinheiten) beschlagnahmt.

Die Zahl der Sicherstellungsfälle stieg von 434 im Jahr 1999 um 17,5% auf 510 im Jahr 2000. Danach sank die Zahl der Sicherstellungen um mehr als 2/3 (-69,0%) bis zum Jahr 2002.Die LSD-Szene scheint derzeit nicht ein zentraler Konzentrationspunkt der Repression zu sein, wie man dem Indikator von 0,06% (0,6 Sicherstellungen pro 1.000 Konsumenten) entnehmen kann. [Siehe Graphik 25].

Graphik 25: LSD: Sicherstellungsfälle

Datenquelle: BKA, in: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 1998 bis 2002, Bonn und Berlin 1999 bis 2003


 

4.4. Speed (Amphetamin)

Gegenüber dem Vorjahr sank die Menge an sichergestelltem Amphetamin im Jahr 2000 um ein Viertel (-24,7%) und war auch niedriger als 1998. Auch im Jahr 2001 sank die Menge nochmals um 3,2%. Im Jahr 2002 erreichte dann die Menge wieder das Niveau von 1999. Sie stieg von 2001 zu 2002 um 37,8%. [Siehe Graphik 26]

Graphik 26: Amphetamin: Sicherstellungsmengen

Datenquelle: BKA, in: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 1998 bis 2002, Bonn und Berlin 1999 bis 2003


Die Polizei beschlagnahmte seit 1972 insgesamt 3.063,2 Kg Amphetamin respektive Methamphetamin. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt nahm die Menge stetig zu, wie die folgende Tabelle zeigt.

Zeitraum Menge pro Zeitraum Durchschnittliche Menge pro Jahr
1972-1979 65,6 Kg 8,2 Kg
1980-1989 393,8 Kg 39,4 Kg
1990-1999 1.708,4 Kg 170,8 Kg
2000-2003 895,4 Kg 298,5 Kg

Amphetamin ist zumeist äußerst stark mit Steckmitteln versetzt. Die meisten untersuchten Proben enthielten weniger als 10% Wirkstoff. Geht man von einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 10% aus, dann enthielt die im Jahr 2002 beschlagnahmte Menge von 361,7 Kg etwa 36 Kg reinen Wirkstoff. Ausgehend von einer durchschnittlichen Konsumeinheit von 30 mg Wirkstoff (Gelegenheitsgebraucher) für eine Linie (Nase) aus, dann entspricht die beschlagnahmte Menge dem Äquivalent von (33.333 Linien pro Kg) 1.200.000 Linien. Ausgehend von einer durchschnittlichen Konsumeinheit von 50 mg Wirkstoff (Dauergebraucher) für eine Linie (Nase) aus, dann entspricht die beschlagnahmte Menge (20.000 Linien pro Kg) 720.000 Linien. Die Hochrechnung bezogen auf die Zahl der Amphetaminkonsumenten ergibt, daß die beschlagnahmte Menge etwa einer Linie pro Konsument entspricht.

Die Zahl der Sicherstellungsfälle sank von 4.079 im Jahr 1998 um 6,6% auf 3.811 im Jahr 1999, dann weiter leicht um 2,2% auf 3.726 im Jahr 2000. Im Jahr 2001 sank die Zahl nochmals um 7,2%. Im Jahr 2002 hat dann die Zahl wieder um 17,0% zugenommen und erreichte mit 4.048 Sicherstellungsfälle wieder das Niveau von 1998. Somit entfielen Jahr 2002 auf 1.000 Amphetaminkonsumenten 5 Sicherstellungsfälle (Repressionsindikator: 0,5%). Amphetamin und Methamphetamin scheinen also weitaus seltener ins Visier der Fahndung zu geraten wie das Derivat des Methamphetamins MDMA (Ecstasy), obwohl der Bedarf wie auch der Konsum von Speed derzeit deutlich zunimmt. [Siehe Graphik 27]

Graphik 27: Amphetamin: Sicherstellungsfälle

Datenquelle: BKA, in: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 1998 bis 2002, Bonn und Berlin 1999 bis 2003


 

4.5. Kokain

Die beschlagnahmte Kokainmenge übertraf letztes Jahr die beschlagnahmte Amphetaminmenge um das Sechsfache. In den letzten beiden Jahren stieg die Menge an beschlagnahmten Kokain rapide an, von 913,3 Kg im Jahr 2000 auf 1.288,0 Kg im Jahr 2001 (+41,0%) auf 2.135,7 Kg im Jahr 2002 (+65,8%). [Siehe Graphik 28] In den letzten Jahrzehnten des letzten Jahrtausends stiegt die Menge an beschlagnahmten Kokain stetig an, seit der Jahrtausendwende scheint sich die Lage zu stabilisieren. Seit 1963 wurden insgesamt 21.938,0 Kg Kokain in Deutschland beschlagnahmt.

Zeitraum Menge pro Zeitraum Durchschnittliche Menge pro Jahr
1963-1969 0,218 Kg 0,021 Kg
1972-1979 77,7 Kg 7,8 Kg
1980-1989 2.883,0 Kg 288,3 Kg
1990-1999 14.640,0 Kg 1.464,0 Kg
2000-2003 4.337,1 Kg 1.445,7 Kg

Graphik 28: Kokain: Sicherstellungsmengen

Datenquelle: BKA, in: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 1998 bis 2002, Bonn und Berlin 1999 bis 2003


Kokain ist zumeist nicht so stark mit Steckmitteln versetzt wie Amphetamin. Durchschnittlich enthielten die untersuchten Proben etwa 50% Wirkstoff (Äquivalent Kokain-Base). Beschlagnahmte Mengen unter einem Gramm waren im Jahr 2002 weit mehr mit Streckmitteln versetzt als größere Mengen von 1 Gramm bis 100 Gramm. Große Mengen von mehr als 100 Gramm waren noch weniger mit Streckmitteln versetzt – wer sauberes Kokain genießen will, muß deshalb größere Mengen auf einmal einkaufen, da dann die Wahrscheinlichkeit eines hohen Anteils von Streckmitteln wesentlich geringer ist. Der Kauf größerer Mengen von Kokain ist somit kein Indiz mehr für das Treiben von Drogenhandel.

Geht man von einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 50% aus, dann enthielt die im Jahr 2002 beschlagnahmte Menge von 2.135,7 Kg etwa 1.100 Kg reinen Wirkstoff. Ausgehend von einer durchschnittlichen Konsumeinheit von 30 mg Wirkstoff (Gelegenheitsgebraucher) für eine Linie (Nase) aus, dann entspricht die beschlagnahmte Menge dem Äquivalent von (33.333 Linien pro Kg) 37 Millionen Linien. Ausgehend von einer durchschnittlichen Konsumeinheit von 50 mg Wirkstoff (Dauergebraucher) für eine Linie (Nase) aus, dann entspricht die beschlagnahmte Menge (20.000 Linien pro Kg) 22 Millionen Linien. Die Hochrechnung bezogen auf die Zahl der Kokainkonsumenten ergibt, daß die beschlagnahmte Menge etwa 27 bis 46 Linien pro Konsument entspricht.

Die Zahl der Sicherstellungsfälle sank von 5.491 im Jahr 1999 um 12,3% auf 4.814 im Jahr 2000, dann um 16,0% auf 4.044 im Jahr 2002 und stieg dann wieder leicht um 2,9% auf 4.163 im Jahr 2002. Im Vergleich zu 1998 nahm die Zahl der Sicherstellungsfälle im Jahr 2002 um ein Viertel (-24,7%) ab. [Siehe Graphik 29]

Letztes Jahr entfielen auf 1.000 Kokainkonsumenten 5 Sicherstellungsfälle (Repressionsindikator: 0,5%). Gemäß polizeilicher Erfolgsstatistik scheint Kokain gegenüber Speed eine leichte Priorität im Fahndungswesen zu haben, steht jedoch weit abgeschlagen hinter Cannabis.

Graphik 29: Kokain: Sicherstellungsfälle

Datenquelle: BKA, in: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 1998 bis 2002, Bonn und Berlin 1999 bis 2003


 

4.6. Sicherstellungsfälle in Relation zur Größe der Konsumentengruppe

Die Ausrichtung der repressiven Maßnahmen seitens der Polizei orientiert sich weder an den pharmakologischen Gegebenheiten der Drogen (z.B. Gefährlichkeit) noch an der vorhandenen Marktsituation (Angebot, Nachfrage und Konsumentenzahl). Offensichtlich ist die Strategie der Polizei von politischen Vorgaben geprägt, die weder mit die Verhinderung von Abhängigkeit noch mit der Abwendung einer Gefährdung der Gesundheit zu begründen sind, weil der Fahndungsdruck im Bereich der eher als harmlos eingestuften Droge Cannabis wesentlich größer ist als im Bereich der Leistungsdrogen Kokain und Amphetamin, die eher als gefährlich für die psychische und physische Gesundheit eingestuft werden. Der Repressionsindikator bezüglich Sicherstellungsfälle in Relation zur Größe der Konsumentengruppe ist bei Haschisch und Marihuana größer als bei allen anderen hier untersuchten Drogen, genau so wie die Zahl der erstauffälligen Konsumenten bei Cannabisprodukten in Relation zur Größe der Konsumentengruppe wesentlich größer ist als bei allen anderen hier untersuchten Drogen.

Substanzen Repressionsindiakor in Prozent
Haschisch und/oder Marihuana 0,8 %
Ecstasy 0,7 %
LSD 0,06 %
Speed (Amphetamin und/oder Methamphetamin) 0,5 %
Kokain 0,5 %

 


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