Kaffe und Tabak aus kultur- und Sozialgeschichtlicher Sicht

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Die Kosten des Cannabisverbots

Es ist kein Zufall, daß die amerikanische Alkoholprohibition nach dem Einbruch der Weltwirtschaftskrise aufgehoben wurde. Ein Verbot eines weitverbreiteten Genußmittels wie Alkohol ist eben sehr kostspielig in der versuchten Durchsetzung – gleichzeitig ist eine Besteuerung unmöglich.

Nach einem Bericht des Schweizer Bundesamtes für Statistik von 1991 lagen die dortigen Kosten im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität für Polizei, Justiz und Strafanstalten bei 536 bis 544 Millionen Schweizer Franken (ca. 325 Millionen Euro) pro Jahr. 1991 wurden in der Schweiz 23.291 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz registriert, im Jahr 2005 waren es gemäß Angaben der Bundespolizei 49.450, also weit mehr als doppelt so viele (+112%). Davon waren 35.735 sogenannte konsumbezogene Delikte betreff Cannabis (Konsum, Besitz inkl. Fälle von Handel und Schmuggel für den eigenen Konsumbedarf) und 3.322 Fälle betreff Handel mit Cannabisprodukten. Unter Berücksichtigung der Geldentwertung (Inflation) und der damit verbundenen Lohnerhöhungen dürften die Kosten im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität für Polizei, Justiz und Strafanstalten im Jahr 2005 bei etwa 1,5 bis 1,75 Milliarden Franken (ca. 1 Milliarde Euro) gelegen haben. Weit mehr als die Hälfte davon entfiel auf die Cannabisrepression. Zur Abschätzung der deutschen Zahlen muß man berücksichtigen, daß Deutschland etwa elfmal soviele Einwohner wie die Schweiz hat. 278 *

Leider ist uns in Deutschland keine vergleichbare Studie bekannt, die entsprechende Zahlen zum Cannabisverbot ermittelt hätte. Rückschlüsse aus den Zahlen der Heroinstudie sind aber beschränkt möglich. Zwar gibt es bei Cannabis keine Überdosis-Toten, keine HIV-Infektionen und praktisch keine Beschaffungskriminalität, aber eine Anzeige seitens der Polizei muß genauso in jedem Fall erstattet werden. Im Jahre 2000 ging es in 53,8 Prozent aller Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ausschließlich um Cannabis, eine Droge die weniger schädlich ist als Alkohol oder Nikotin. 532.957 Ermittlungsverfahren allein in den Jahren 1996-2000, von denen viele zu Gerichtsverfahren und Verurteilungen führten, verursachten beträchtliche Kosten für die Steuerzahler.

In den Jahren 2001 bis 2005 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 760.684 registrierte Delikte in Bezug auf Cannabis, das waren 43% mehr als in den fünf Jahren zuvor. Dennoch ist weder die Verfügbarkeit noch der Konsum zurückgegangen. Die Kosten sind aber massiv gestiegen.

Beim Besitz einer nicht "geringen Menge" Cannabis oder Heroin gilt nach dem Betäubungsmittelgesetz gleichermaßen eine Mindeststrafe von 12 Monaten Haft, bei Einfuhr gar zwei Jahre Haft. Im Jahr 2000 gab es fast viermal soviele polizeilich erfaßte Fälle der "Einfuhr nicht geringer Mengen" von Cannabis (3.835 Fälle) wie von Heroin (1.048 Fälle). Es gab mehr als doppelt soviele Anzeigen wegen Handels mit Cannabis oder Schmuggels von Cannabis (33.194 Fälle) als wegen entsprechender Delikte bei Heroin (15.168 Fälle). Im Jahr 2005 gab es sogar weit mehr als viermal soviele Anzeigen wegen Handels mit Cannabis oder Schmuggels von Cannabis (39.440 Fälle) als wegen entsprechender Delikte bei Heroin (9.321 Fälle). Bei den "allgemeinen Verstößen" (d.h. in der Regel der unerlaubte Besitz oder Erwerb zum eigenen Konsum) lag die Zahl der ermittelten Fälle im Jahr 2000 bei Cannabis (94.633 Fälle) dreimal so hoch als bei Heroin (29.375 Fälle), im Jahr 2005 sogar mehr als fünfmal so hoch (Cannabis: 124.170 Fälle, Heroin: 22..529 Fälle). 279 *

In den Jahren 1995 bis 2004 hat die Zahl der registrierten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in der Bundesrepublik Deutschland um 79,0% zugenommen, wobei die "allgemeinen Verstöße" betreff Cannabis mehr als fünfmal so stark zugenommen haben wie die "allgemeinen Verstöße" betreff alle anderen im Betäubungsmittelgesetz aufgelisteten Drogen (Cannabis +168,2%, alle andere Drogen +31,9%). Bezüglich aller Verstöße war die Zunahme bei Cannabis sogar mehr als sechsmal so groß wie bei allen anderen Drogen zusammen (Cannabis +147,9%, alle andere Drogen +23,9%). 280 *

Eine britische Studie schätzte im August 2000, daß die Repression bei Cannabis die dortigen Steuerzahler 1,35 Milliarden Euro pro Jahr kostet. Deutschland hat ein Drittel mehr Einwohner und um die Hälfte mehr Ermittlungsverfahren wegen Cannabis als Großbritannien.

Was hat die Regierung für diese enormen Ausgaben vorzuweisen? Im Vergleich zu den Niederlanden herrscht im wesentlichen Gleichstand beim Cannabiskonsum: 1,6 Millionen Deutsche sind regelmäßige Cannabiskonsumenten, im Vergleich zu 0,3 Millionen Niederländern, wobei Deutschland etwa die fünffache Bevölkerung der Niederlande hat. Den Milliardenausgaben und den fehlenden Steuereinnahmen (in den NL kassiert der Fiskus in Coffeeshops Mehrwert- und Einkommenssteuer) steht kein Erfolg bei der Konsumreduzierung gegenüber: Ausser Spesen nichts gewesen.

Im Jahre 1995 untersuchte Professor Karl-Hans Hartwig von der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag des hessischen Justizministeriums die Kosten der repressiven Drogenpolitik am Beispiel von Heroin. Er kam auf direkte Kosten für den Steuerzahler sowie gesellschaftliche Folgeschäden von insgesammt über 13 Milliarden DM (ca. 6,5 Milliarden Euro). Nur etwa ein halbes Prozent dieses Betrags wird derzeit für Suchtprävention ausgegeben.

Wie lange werden sich die deutschen Steuerzahler das noch gefallen lassen? Gerade in diesen Zeiten der Kürzungen bei öffentlichen Haushalten wäre eine Cannabisbesteuerung und Legalisierung wesentlich vernünftiger als eine kostspielige und undurchsetzbare Prohibition (Verbot).

 


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278
Datenquellen: Schweizerische Bundespolizei (fedpol): Statistiken
URL: http://www.fedpol.admin.ch/fedpol/de/home/dokumentation/statistiken.html
Schweizerische Fachstelle für Alkohl- und andere Drogenprobleme: Zahlen und Fakten: illegale Drogen
URL: http://www.sfa-ispa.ch/index.php?IDtheme=100&IDcat41visible=1&langue=D
279
Bundeskriminalamt: Lagebericht Rauschgift 2005, Wiesbaden 2006, Tabellenanhang, Tab. 1.1
URL: http://www.bka.de/lageberichte/rg/2005/bundeslagebild_rg2005_tabellenanhang.pdf
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Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin: Pressemitteilung vom 5. August 2005 zur Drogenrepression: Starke Zunahme der Drogenrepression – Expansion der Repressionskoeffizienten in Deutschland und in der Schweiz im Vergleich
URL: http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse05-08-05.html (aufgerufen am 21. Dezember 2006)