DrogenGenussKultur |
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30 Jahre Drogeninfostände |
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Drogeninfostände auf Festivals oder Partys in Clubs sind eine Interventionsstrategie zur Gesundheitsförderung durch Vermittlung von Wissen über Drogen sowie zu Themen wie Set und Setting beim Drogengebrauch. Unter Set versteht man die Befindlichkeit und Erwartungshaltung vor der Einnahme von Drogen und das Setting beinhaltet die Rahmenbedingungen während der psychedelischen Reise. Drogeninfostände sind Treffpunkte für erfahrene Psychonauten wie auch für Novizen und dienen dem Austausch. Das Leitmotiv ist der Austausch von Erfahrungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Drogeninfostandes vermitteln somit nicht nur Informationen an potenzielle Konsumenten von psychoaktiven Substanzen, sondern sie erweitern auch ihr Wissen durch die Erzählungen von den Besucherinnen und Besucher des Standes, von denen einige schon über Jahrzehnte lang Erfahrungen mit der Kombination der unterschiedlichsten Substanzen gesammelt haben. In keinem Hörsaal einer Universität kann man sich so viele authentische Berichte über Drogenerfahrungen zu Gemüte führen wie auf einem Drogeninfostand auf einem Psytrance- oder Hightecfestival.
1. HistorischesMitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts kam es immer wieder mal vor, dass am Montag um die Mittagszeit ein Club eine Party nicht beenden konnte, weil etliche Besucher der Party so verpeilt waren, dass man sie nicht mit einem guten Gewissen auf die Straße schicken konnte. Obwohl das Barpersonal und die Türsteher eigentlich nach Hause wollten, weil sie schon mehrere Überstunden geleistet hatten, musste die Party fortgesetzt werden, bis in der Nähe eine „Notparty“ in einem anderen Club organisiert war. Dann konnten nämlich die verpeilten Partygäste gemeinsam mit dem Personal von dem einen in den anderen Club ziehen, ohne dass die Partygäste Gefahr liefen, sich auf dem Heimweg zu verirren oder im Straßenverkehr Schaden zu nehmen. Diese Zeiten sind (zumindest in Berlin) glücklicherweise vorbei, weil in der Zwischenzeit die meisten Partygäste gelernt haben, ihren Drogengebrauch so zu gestalten, dass sie selbsttätig und ohne fremde Hilfe nach der Party ihren Heimweg antreten können. Drogeninfostände haben hierbei einen wichtigen Beitrag geleistet, weil durch die vermittelten Informationen die Drogenkompetenz und die Drogenmündigkeit im Partyvolk erheblich gesteigert wurde. Obwohl man sich heute dank des Internets viel leichter – und auch fundierter – informieren kann als vor zwanzig Jahren, haben Drogeninfostände heute nicht ausgedient. Webseiten, Foren und soziale Netzwerke können eben das persönliche Gespräch nicht ersetzen, und viele Leute lesen auch heute noch lieber gedruckte Informationen auf Papier als Informationen auf dem Bildschirm. Zudem sind Drogeninfostände auch Orte der Begegnung, wo Konsumenten von psychotrop wirkenden Substanzen ihre Erfahrungen austauschen können. Des weiteren sind die Infostände auch Ankerpunkte für Konsumenten von psychoaktiven Substanzen. Die Anwesenheit eines Drogeninfostandes mit erfahrenem Personal gibt den Leuten auf ihrer psychedelischen Reise ein Gefühl von Sicherheit, da sie wissen, dass bei einem unerwarteten Verlauf derselben, Personen vor Ort sind, die man um Rat fragen kann. Allein dieses Gefühl der Sicherheit mindert die Wahrscheinlichkeit, dass die psychedelische Reise einen unangenehmen Verlauf nimmt, ja die Wahrscheinlichkeit von Horrortrips und / oder panischen Zuständen wird gesenkt. Dies gilt jedoch nur, wenn am Drogeninfostand erfahrenes Personal anwesend ist und dieses auch bis zum Ende der Party vor Ort bleibt.
2. Gründung von Eve & Rave BerlinEve & Rave 1 wurde in Berlin vor 30 Jahren im Oktober 1994 von kulturell und sozial engagierten Mitgliedern der Technoszene gegründet. Ziel und Zweck der Vereinsgründung war, Energien zur Förderung der Party- und Technokultur zu bündeln und zur Minderung der Drogenproblematik zu akkumulieren. Eine Party-Drogen-Broschüre brachte alles in Bewegung. Im Inhalt dieser Broschüre wurde ein neuer differenzierter und realitätsbezogener Aufklärungsansatz zum Thema Drogen mit Akzeptanzstandpunkt umgesetzt. CDU- Politiker sahen darin eine Verherrlichung und Verharmlosung von Drogenkonsum und reichten einen Indizierungsantrag ein, der in der Folge vom Ausschuss der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften abgelehnt wurde. Der nur politisch bedingte Versuch einer Zensur motivierte junge Raver aus der Szene in Berlin, Drogenaufklärung selbst in die Hand zu nehmen und eigenständig zu handeln. Um diesem Engagement eine effektive Struktur zu geben, wurde in Berlin der Verein Eve & Rave gegründet. Der Verein veröffentlichte die Partydrogenbroschüre, begann ein Drug-Checking-Programm und informierte Raver in Clubs und auf Festivals, indem dort vor Ort Drogeninfostände aufgebaut und betreut wurden. In der Folge wurden auch in Kassel, Köln, Münster und in der Schweiz Eve & Rave Vereine mit der gleichen Zielsetzung gegründet. Im gemeinsamen Jahresbericht 2000 2 sind die Tätigkeiten aller Eve & Rave Vereine bis zur Jahrtausendwende präzise beschrieben. Die Broschüre "Partydrogen" wurde von allen Eve & Rave Vereinen zur Drogenaufklärung genutzt und in den 90-ger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden mehrere Neuauflagen davon gedruckt und es wurden mehr als eine Viertelmillion Broschüren an Drogeninfoständen in Clubs und Festivals verteilt. Die erste Auflage im CD-Format umfasste 24 Seiten, die Neuauflage von 1997 umfasste 32 Seiten. Für die jüngeren Leserinnen und Leser dieses Textes sei hier angemerkt, dass damals nur sehr wenige Menschen Zugang zum Internet hatten und es keine Smartphones gab. Im Jahr 2001 wurde dann in Kooperation mit Eve & Rave Schweiz und weiteren Organisationen eine erweiterte Fassung unter dem Titel "Drugs – die Partydrogeninfo" mit einem Umfang von 48 Seiten gedruckt. 3
3. Erstes Drug-Checking-Programm 1995Drug-Checking ist eine Interventionsstrategie zur Erhaltung der Gesundheit. Die genaue Kenntnis von Dosierung und Wirkstoffzusammensetzung einer Droge kann den potentiellen Gebrauchern derselben das objektiv bestehende Gefahrenpotential vergegenwärtigen und somit eine klare Grundlage für die subjektive Risikoabschätzung vor der eventuellen Einnahme schaffen. Drug-Checking ist ein unabdingbares Instrument für eine seriöse und glaubwürdige Drogenaufklärung. Die qualitative und quantitative Analyse sind das Kernstück von Drug-Checking-Programmen. Nur durch die Veröffentlichung von Laboranalysen der auf dem Schwarzmarkt erhältlichen Drogen ist es den Drogengebrauchern möglich, die mitunter deutlich unterschiedlichen Wirkungsweisen verschiedener Substanzen wie zum Beispiel von MDMA, MDE und 2C-B an sich zu beobachten. Erlebnisqualitätsunterschiede können so eindeutig bestimmten Wirkstoffen und Dosierungen zugeordnet werden. Das individuelle Drogenwissen wird so erweitert und potentielle Drogengebraucher können besser entscheiden, ob sie, und wenn ja, welche Drogen sie in welcher Dosierung konsumieren möchten. Drug-Checking fördert somit den Lernprozess zur Drogenmündigkeit. Im Januar 1995 beschloss der Verein Eve & Rave, in Berlin ein Drug-Checking-Programm für betäubungsmittelverdächtige Substanzen, die auf der Straße und in Clubs als Ecstasy-Pillen und -Kapseln feilgeboten wurden, durchzuführen. Die Analysenergebnisse 4 wurden regelmäßig veröffentlicht, um eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für die Aufklärung, für die Beratung und für die Prävention zu schaffen. Andererseits sollte auf diese Weise den Ecstasy-Gebrauchen verdeutlicht werden, welche Risiken sie beim Konsum der bunten Pillen für ihre Gesundheit eingingen. Im Februar 1995 lief das erste autonome Drug-Checking-Programm in Deutschland an, am 30. September 1996 musste das Programm aufgrund staatlicher Repressionsmaßnahmen wieder eingestellt werden. 5 Erst nach mehr als einem Vierteljahrhundert erkannte die Politik in Berlin, dass das Drug-Checking, das von Ravern in Berlin durchgeführt wurde, eine vernünftige Idee war. Erst am 6. Juni 2023 startete dann in Berlin endlich wieder ein Drug-Checking-Programm. 6 An den Infoständen von Eve & Rave konnten sich jedoch die Raver nach der Beendigung des Drug-Checking-Programms in Berlin weiterhin über die Inhaltsstoffe von Pillen informieren, da Eve & Rave Schweiz ein solches Programm gestartet hatte. Seit Ende der 90-ger Jahre gibt es sowohl in der Schweiz als auch in Österreich in mehreren Städten Drug-Checking-Programme, deren Analyseergebnisse überall online verfügbar sind. 7 In Deutschland gibt es außer in Berlin 8 derzeit nur in den Ostdeutschen Bundesländern Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern etablierte Drug-Checking-Programme. Eve & Rave Berlin setzte sich immer für Drug-Checking-Programme ein. In der Schweiz begann das Drug-Checking von Eve & Rave Schweiz direkt im Anschluss nach der politischen Verhinderung von Drug-Checking in Berlin. Das Plädoyer für Drug-Checking führte in vielen Ländern zur Einführung solcher Programme.
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