Kiffen dürfen reicht nicht oder:
Radikale Alternativen in der Drogenpolitik

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Über radikale Alternativen im Drogenbereich zu sprechen - und das auch noch auf einer Cannabistagung - ist aus zwei Gründen gar nicht so einfach, denn einerseits ist es schwer, die Drogenbekämpfer an Radikalität zu übertreffen; andererseits ist speziell Cannabis so gut erforscht und hat eine solch starke Lobby, daß sich eine solche Rede schon fast albern ausnimmt. Gleichwohl ist es aber vielleicht gerade auf Cannabistagungen, die ja immer öfter vor allem im Zeichen von Textilien, Müsli und nachwachsendem Rohstoff stehen, zunehmend wichtiger, klare Alternativen im Blick zu behalten. Denn mit der Kommerzialisierung des Hanfs und der zunehmenden Verlagerung dieser Substanz in den Bereich des Legitimen oder gar bald des Legalen ist drogenpolitisch auch ein Verlust verbunden, weil sich mit dem isolierten Imagewechsel des Cannabis die drogenpolitischen Polarisierungen und Grenzziehungen (wieder/weiter) zu verschärfen scheinen. Das heißt gerade aus Kifferkreisen werden die (alten) ideologischen Dichotomien erneut belebt: Man spricht von der weichen Droge Cannabis (und grenzt sich etwa gegen die harten Drogen Heroin oder Kokain ab), man betont ihre Ungefährlichkeit (und damit gleichzeitig freilich die Gefährlichkeit anderer Substanzen), man hält die Natürlichkeit des Hanfs hoch (und verdammt die vermeintliche Künstlichkeit von Ecstasy) und man preist - nicht zuletzt - die "Kulturplanze Hanf", um anderen psychoaktiven Substanzen Unkultur zu unterstellen. Und diese Argumentationen führen wiederum zu anderen neuen alten Polaritäten, die etwa die Cannabis-Konsumenten gegen die Heroin-Süchtigen ausspielen und die Cannabisdealer (Es ist ja bloß Hasch!) gegen die Rauschgifthändler und die endlich in der Forderung mündet, die Polizei möge doch die Kiffer ihrem geselligen Treiben ungestört überlassen und sich auf "die wahren Probleme" konzentrieren.

Das heißt auch die Cannabisraucher können sich möglicherweise bald legal rauchend in ihrem Sessel zurücklehnen und mit dem Finger auf die zeigen, die die anderen schrecklichen harten Drogen, die die Rauschgifte und Suchmittel konsumieren: Ich habe die Befürchtung, daß die Cannabispolitik zunehmend zu einer Lobbypolitik wird, wie wir sie von der Alkohol- und Zigarettenpolitik her kennen - und zwar mit den gleichen diskriminierenden Argumenten.

Eine solche Politik ist meines Erachtens drogenpolitisch verheerend, weil sich letztlich nur die Auswahl der verbotenen und verteufelten Substanzen verändert, nicht aber das grundsätzliche Denken. Denn wenn Kiffer kiffen dürfen, dann ändert sich am (drogenpolitischen) Elend der Junkies, an ihrer Vertreibung aus den Innenstädten, an ihren Verurteilungen zu Gefängnisstrafen, an ihrer sozialen und gesellschaftlichen Ausgrenzung, an der Unreinheit ihrer Drogen und an der Ungerechtigkeit der Aufteilung in gute und böse Drogen noch lange nichts.

Wer wirklich Drogenpolitik - liberale, von mir aus auch radikale, vor allem aber sinnvolle Drogenpolitik - betreiben will, dem darf es nicht darum gehen, daß Kiffer das Recht haben sollen zu kiffen. An dieser Forderung ist nichts, aber auch schlicht gar nichts radikal. Vielmehr muß es darum gehen, die zentralen drogenpolitischen Mythen auf- und anzugreifen. Und schließlich darum, daß Menschen das Recht haben, die Substanzen zu sich zu nehmen, die sie konsumieren wollen. Es geht um ein allgemein zu begreifendes Recht auf Genuß und auch um ein Recht auf Rausch.

Weil es nicht angehen kann, daß man eine Droge gegen die andere ausspielt, weil es meines Erachtens um ein einheitliches Ziel zu gehen hat, ist es wichtig, ein einheitliches Konzept beziehungsweise eine einheitliche Vorstellung davon zu haben, was die wichtigen drogenpolitischen Begriffe, und das sind vor allem die Begriffe Droge und Sucht bedeuten (sollen), und sich nicht in einer gleichsam schon separatistisch zu nennenden Haltung nur den eigenen Interessen zuzuwenden. Ich werde also zunächst einen Vorschlag machen, wie Droge und Sucht meines Erachtens sinnvoll zu konzipieren wären, um daran anknüpfend ein Modell zur Diskussion zu stellen, wie man sinnvoll und letztlich risikominimierend mit diesen Substanzen umgehen könnte.

 

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