1. Substanz
Ketamin ist ein Anästhetikum mit schnellem Wirkungseintritt und ebenso raschem Abklingen der Wirkung,
das sowohl in der Humanmedizin wie auch in der Veterinärmedizin eingesetzt wird. Medizinisch ist Ketamin ein dissoziatives
Anästhetikum, chemisch gehört Ketamin zur Stoffklasse der Phencyclidinderivate.
Ketamin
(Ketalar®;
Ketanest®) |
= 2-(2-Chlorphenyl)-2-methylaminocyclohexanon
= 2-Methylamino-2-(2-chlorophenyl)cyclohexanon
= CI-581
= CL-369 |
Im Rahmen eines Forschungsauftrages der Firma Parke-Davis bei der Suche eines Ersatzes für das mit starken
Nebenwirkungen behaftete Narkosemittel Phencyclidin (PCP, Angel Dust) synthetisierte Calvin L. Stevens, Pharmakologe
an der Wayne State University (Detroit, Michigan, USA), im April 1962 erstmalig die Substanz Ketamin. Die ursprüngliche
Bezeichnung der Substanz im Laborbuch lautete CL-369. Später wurde die Substanz unter der Bezeichnung CI-581 (CI = clinical
investigation) geführt. Obwohl der Pharmakologe Calvin L. Stevens im Auftrag der US-amerikanischen Firma Parke-Davis
forschte, wurde das Herstellungsverfahren von Ketamin ohne Wissen der Firma Parke-Davis 1963 in Belgien zum Patent
angemeldet (Belgisches Patent 634.208 vom 4. November 1963), was in der Folge zu einem Rechtsstreit führte. 1 Im Jahre
1966 erhielt dann Parke-Davis das US-Patent (Nr. 3.254.124) für die Herstellung von Ketamin als Arzneimittel sowohl
für die Humanmedizin als auch für die Tiermedizin. 2 Edward Felix Domino, 3 Professor für klinische Pharmakologie an
der Universität in Michigan (USA), führte am 3. August 1964 seinen ersten (nicht medizinischen) Selbstversuch mit Ketamin
durch und erkannte dabei das psychedelische Potential der Substanz. Die Bezeichnung "dissoziatives Anästhetikum" für
Ketamin wurde von ihm dann im folgenden Jahr 1965 eingeführt. 4
Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts setzte die US-Armee in Vietnam Ketamin in großem Umfang
als Anästhetikum zur Behandlung verwunderter Soldaten ein. In den 70er Jahren nutzten dann vor allem Ärzte, Psychiater
und andere Forscher Ketamin als "Freizeitdroge" zur Erforschung des Bewußtseins. Durch die Veröffentlichung von zwei
Büchern mit präzisen Beschreibungen von Erfahrungen mit dem Wirkstoff Ketamin in verschiedenen Dosierungen im Jahre
1978 wurde die Substanz weltweit bekannt und in der Folge immer häufiger außerhalb der medizinischen Indikation genutzt.
Hierbei handelt es sich um die Bücher "Journeys Into the Bright World" von Marcia Moore und Howard Alltounian 5 und
"The Scientist" von John Cunningham Lilly. 6
Ketamin ist ein Narkosemittel. Es wird primär in der Veterinärmedizin eingesetzt, ist jedoch auch in
der Humanmedizin gebräuchlich. Hier vornehmlich zur Einleitung und Durchführung von Vollnarkosen und zur Schmerzstillung
in der Notfallmedizin, meistens in Kombination mit Diazepam (Valium®) oder anderen starken Schlafmitteln, um die in
der Medizin unerwünschten Nebenwirkungen (heftige Träume, auch unangenehmer Art) zu unterbinden. Diese Nebenwirkungen
sind jedoch der Grund, warum Ketamin seit langem im Kreise der erlauchten Psychonautiker als Droge geschätzt und neuerdings
nicht mehr nur von Psychologen, Psychiatern und anderen Bewusstseinsforschern genutzt wird, sondern auch immer häufiger
in der Party- und Schwulenszene gebraucht wird. Ketamin (Ketaminhydrochlorid) liegt in der Regel flüssig als Lösung
vor und wird daher sowohl oral als auch intramuskulär oder (seltener) intravenös konsumiert. In kristalliner Form kann
es geschnupft werden. In England gibt es Ketamin auch in Pillenform, wo es häufig mit Ecstasy verschnitten ist.
Ketamin liegt im Allgemeinen als racemisches Gemisch vor, welches zu gleichen Teilen aus zwei optischen Enantiomeren [(S)-Ketamin,
(R)-Ketamin] besteht. Pharmakologische Untersuchungen konnten deutliche qualitative und quantitative Unterschiede bezüglich der Wirkung zwischen den
beiden Ketamin-Enantiomeren aufzeigen. Dabei wurde eine klinische Überlegenheit von (S)-Ketamin in verschiedenen Therapiestudien beschrieben. (S)-Ketamin
vermittelt vornehmlich die erwünschten Wirkungen, (R)-Ketamin vor allem die unerwünschten Nebenwirkungen. Diese klinischen Vorteile beziehen sich auf die
anästhetische Potenz, das Ausmaß der erreichten Analgesie (Ausschaltung der Schmerzleitung), auf intraoperative Effekte wie auch auf Nebenwirkungen sowie
unerwünschte psychische Störungen. Die Hauptprobleme des heute klinisch eingesetzten Ketamin-Racemats liegen in den psychischen Aufwachreaktionen und in der
oft auf bis zu mehrere Stunden verlängerten Aufwachphase. Es scheint, dass ein Ersatz von Ketanest® durch (S)-Ketamin beide Probleme minimieren würde, ohne
dass die anästhetische Wirksamkeit oder die Vorteile einer Ketanest®-Narkose darunter leiden. 7 Die analgetische und anästhetische Potenz von
(S)-Ketamin ist etwa dreifach höher als die der (R)-Form bzw. doppelt so hoch wie die des Racemats. Darüber hinaus wird (S)-Ketamin schneller eliminiert und
ist damit insgesamt besser steuerbar. Neben der reduzierten Substanzbelastung führt dies zu eindeutig verkürzten Aufwachzeiten. Da (S)-Ketamin eine stärkere
psychedelische Wirkung als das Racemat hat, muss (S)-Ketamin deutlich niedriger dosiert werden als das Racemat. 8
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