Fachinformation: Ecstasy – Mischkonsum
[Entaktogene Amphetaminderivate]

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2. Was geschieht im Gehirn?

Ecstasy (MDMA) bewirkt hauptsächlich eine deutlich vermehrte Freisetzung des Neurotransmitters Serotonin in die synaptischen Spalten und hemmt zugleich die Wiederaufnahme von Serotonin in die präsynaptischen Nervenzellen. Serotonin (auch Botenstoff der Glücksempfindung genannt) ist an der Steuerung der Temperaturregulierung, des Sexualverhaltens und der Schlaf- und Wach-Phasen-Rhythmik (in komplexer Interaktion mit Dopamin, Noradrenalin und Acetylcholin) maßgeblich beteiligt. Ecstasy mindert das Hungergefühl und ist somit ein Appetitzügler. Der erhöhte Serotoninspiegel beeinflusst vor allem die emotionale Selbst- und Fremdwahrnehmung, steigert das Glücks- und Wohlbefinden sowie das Empfinden sensorischer Reise. Dies betrifft einerseits die optischen Impulse und akustischen Signale und anderseits vor allem die zärtlichen über den Tastsinn wahrgenommenen Reize (haptische Reize). Deshalb wird Ecstasy nicht selten zu Massagen oder zum Sex eingesetzt.

Der Neurotransmitter Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT) kann sich ausschließlich an Rezeptoren festsetzen, die eigens für ihn vorgesehen sind. Bis heute sind 15 verschiedene 5-HT-Rezeptoren bekannt, die in sieben Klassen 5-HT1 bis 5-HT7 unterteilt werden. Die größte Klasse bilden die 5-HT1-Rezeptoren mit sechs Rezeptorsubtypen. Die Klasse 5-HT2 hat drei Rezeptorsubtypen. 3 *

Nach der Einnahme von MDMA setzt sich das ausgeschüttete Serotonin vor allem an den 5-HT2A- und 5-HT2C-Rezeptoren 4 * nachgeschalteten Nervenzellen (postsynaptische Neuronen) fest. Zudem wird durch MDMA die Wiederaufnahme (reuptake) von Serotonin durch die 5-HT1A-Rezeptoren an den vorgeschalteten Nervenzellen (präsynaptische Neuronen), aus denen das Serotonin ausgeschüttet wird, ebenso verhindert wie der Abbau von Serotonin durch Hemmung der Monoaminoxidase. 5 * Demzufolge wird MDMA vor allem in der Leber abgebaut, unter anderem in den für die 5-HT-Nervenendigungen (präsynaptische Nervenendigungen, aus denen Serotonin ausgeschüttet wird) äußerst giftigen Stoff 3,4-Dihydroxymethamphetamin. Dieser Stoff kann bei häufigem oder vor allem bei lang andauerndem Ecstasy-Konsum nach und nach immer mehr 5-HT-Nervenendigungen schädigen. 6 * In der Folge sollen manchmal Defizite beim Kurzzeitgedächtnis, beim Wortgedächtnis, bei der Aufmerksamkeit und der Merkfähigkeit beobachtet worden sein.

MDMA sorgt nicht nur für eine Entleerung der Serotoninspeicher und Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin, sondern hemmt auch die Aktivität des 5-HT-Syntheseenzyms Tryptophanhydroxylase. Dieses Enzym wandelt die Aminosäure L-Tryptophan in die Aminosäure 5-Hydroxytryptophan um. Dieser Prozess ist essentiell für die Biosynthese von Serotonin. Wird dieser Prozess gehemmt, braucht der Körper eine längere Zeit als gewöhnlich, um die mehr oder weniger entleerten Serotoninspeicher wieder zu füllen.

Die Freisetzung von Dopamin ist bei den Methylendioxyamphetaminen unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Dopamin-Freisetzung verringert sich mit der Folge der Substanzen MDMA > MDE > MBDB bei gleich bleibender Serotonin-Freisetzung. Der Grad der Dopamin-Freisetzung scheint entscheidend für die Intensität der empathischen Wirkung der Substanzen MDMA, MDE und MBDB zu sein. Je größer die Dopamin-Ausschüttung ist, desto größer erscheint der Empathie-Koeffizient. Umgekehrt scheint bei diesen drei Substanzen eine geringere Dopamin-Ausschüttung zu einer Verstärkung des entaktogenen Effektes zu führen. Bemerkenswert erscheint hier die Tatsache, dass MDMA zwar zu einer selektiven Neurotoxizität der dünnen serotonergen Neuronen führt, die dopaminergen und noradrenergen Neuronen bleiben hingegen verschont. 7 *

Es existieren jeweils zwei Enantiomere der Wirkstoffe MDMA, MDE und MBDB, ein rechts drehendes und ein links drehendes Enantiomer. Im Gegensatz zum Amphetamin, bei dem das rechts drehende Dextro-Amphetamin stärker wirksam ist als das links drehende Levo-Amphetamin, sind bei den Amphetaminderivaten MDMA, MDE und MBDB die links drehenden Enantiomere stärker wirksam. Bezüglich der Freisetzung von Serotonin unterscheiden sich die Enantiomere kaum, jedoch sind die links drehenden Enantiomere von MDMA, MDE und MBDB viel potenter im Hinblick auf die Dopamin-Freisetzung. 8 *

 

3. Wirkung

MDMA, MDE und MBDB wirken entaktogen, das heißt, sie verstärken die innere Empfindung und Wahrnehmung ohne eigentliche Veränderung der Signale und Reize, die mit den Sinnesorganen registriert werden. Das Wort "entaktogen" ist eine Zusammensetzung aus zwei griechischen Silben und einem lateinischen Ausdruck. Die griechische Silbe en bedeutetet "innen" und gen heißt soviel wie "generieren, erzeugen, schaffen". Der mittlere Teil des Wortes takto ist dem lateinischen tactus entlehnt, was "die Fähigkeit zu empfinden, spüren und fühlen" bedeutet. Der von dem Chemiker David E. Nichols geprägte Begriff "entaktogen" bedeutet somit das Ermöglichen und Erzeugen einer Berührung des eigenen Innern. 9 *

MDMA verstärkt überdies die Empathie. Empathisch wirkende Drogen (Empathogene) steigern vor allem die Wahrnehmungsfähigkeit und das Einfühlungsvermögens in die emotionelle Situation anderer Personen. Dadurch wird die Sympathie zu anderen Menschen gefördert und die Kommunikationsbereitschaft gestaltet sich offener und herzlicher. Dies kommt vor allem bei gemeinsam zelebrierten Ritualen, wie zum Beispiel beim ekstatischen Tanzen, zur Geltung, sodass das Gemeinschaftsgefühl gefördert wird. Den empathischen Drogen wird auch eine magische Wirkung nachgesagt, da das verbindende Gefühl rational gar nicht erfasst werden kann, sondern vor allem seelisch erlebt wird.

MDMA hat eine starke empathische Wirkung und eine gut wahrnehmbare entaktogene Wirkung, doch ist letztere bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei MDE und MBDB. MBDB gilt als das stärkste Entaktogen und hat im Allgemeinen keine halluzinatorische und nur eine sehr schwach ausgeprägte empathische Wirkung.

Etwa 30 Minuten nach der Einnahme kann es zu einer merklichen Erhöhung der Herzfrequenz, zu leichter Unruhe, zu kurzfristiger Übelkeit, zur Erhöhung der Körpertemperatur und zu verstärktem Atem kommen. Diese Anfangssymptome verschwinden in der Regel nach wenigen Minuten und man fühlt sich leicht und unbeschwert, ein wohliges Körpergefühl breitet sich aus. Der Kreislauf hat sich auf die E-Wirkung eingestellt. Das Seh- und Hörvermögen verändert sich. Manchmal bekommt man auch einen sehr trockenen Mund. In den Armen, Fingern und Beinen kommt es zu einem leichten Kribbeln. Der Appetit geht gegen Null. Ecstasy hat in der Regel eine tranceartig entspannende und zugleich eine psychisch stimulierende Wirkung. Harmonie- und Zärtlichkeitsgefühle dominieren gegenüber Angst- und Aggressionsgefühlen. Ecstasy steigert die Empfindung für das Ich-Gefühl und öffnet das Herz für die Wahrnehmung des Du-Gefühls. Deshalb kann man gut auf sich selbst und andere Leute abfahren. Nach drei bis fünf Stunden klingt die Wirkung langsam wieder ab. Der E-Film ist jetzt zu Ende und man sollte das einfach akzeptieren und nicht "nachlegen". Die Serotoninspeicher sind jetzt weitgehend geleert und müssen erst wieder langsam gefüllt werden. Die E-Wirkung wird von Pille zu Pille schwächer, wenn nicht zwischen den E-Einnahmen längere E-Pausen eingehalten werden. Man nennt dieses Phänomen die Bildung einer Toleranz. Wer mehrfach in der Phase des Abklingens der E-Wirkung sofort wieder erneut Ecstasy konsumiert, riskiert aufgrund der Toleranzbildung nicht nur eine von vielen Konsumenten als unangenehm empfundene leichte Desorientierung durchleben zu müssen, sondern riskiert auch mit hoher Wahrscheinlichkeit nach dem Abklingen der Drogenwirkung einem Zustand völliger Überspanntheit ausgeliefert zu sein. Grundsätzlich sollte man sich im Klaren sein, dass die volle E-Wirkung mit all ihren angenehmen Effekten erst wieder nach vier bis sechs Wochen "Pillenpause" erzielt werden kann.

 

4. Unterschied zwischen MDMA und MDE

Die Wirkung von MDE beginnt etwa 30 Minuten nach der Einnahme, hält während zwei bis vier Stunden an und klingt dann recht rasch wieder ab. Die Wirkdauer von MDE ist kürzer als die von MDMA. In Dosierungen um 100 Milligramm wirkt MDE rein entaktogen und intensiviert die optische und akustische Wahrnehmung. Nebenwirkungen sind in dieser Dosierung eher selten. Hingegen kommt es bei Dosierungen von 150 Milligramm und mehr häufiger zu unerwünschten Nebenwirkungen. Dazu zählen vor allem Verspannungen im Nacken und in der Kiefermuskulatur (intensives und lustvolles Küssen schafft hier schnell und effektiv Linderung), Artikulationsschwierigkeiten beim Sprechen und Schweißausbrüche. Im Bereich von Dosierungen bis zu 130 Milligramm unterstützt MDE beim Tanzen das Erreichen von Trancezuständen. Eine MDE-Trance-Reise führt vermehrt in die eigenen inneren Räume, im Gegensatz zu MDMA-induzierten Trance-Reisen, bei denen das Magische und Gruppendynamische im Vordergrund steht. MDE wirkt in erster Linie entaktogen und somit eher in autistischer Richtung, fördert also auch die Ich-Bezogenheit, die affektive Teilnahmslosigkeit, den Verlust des sozialen Kontaktes und die Flucht in die eigene Fantasiewelt, im Gegensatz zu MDMA, das in erster Linie empathisch wirkt und somit förderlich für die Teilnahme an einem gruppendynamischen Prozess ist, den Bezug zu anderen Personen intensiviert und die Fähigkeit zu sozialen Kontakten steigert.

Der sogenannte Befriedigungskoeffizient von MDE ist längst nicht so groß wie der von MDMA. Das bedeutet, dass nach dem Gebrauch von MDE das Bedürfnis eine weitere Droge zu konsumieren, größer ist als nach dem Gebrauch von MDMA. Nach dem Gebrauch von MDE wird weit häufiger "nachgelegt" als bei vergleichbarem MDMA-Konsum. Auch konnte deutlich beobachtet werden, dass Konsumenten, die MDE statt MDMA erhielten, danach signifikant häufiger und auch größere Mengen Speed (Amphetamin) verbrauchten als üblich. 10 * MDE war Mitte der 90er Jahre fast genauso verbreitet wie MDMA, inzwischen ist MDE jedoch weitgehend vom Markt verschwunden.

 

5. Sex auf Ecstasy

Intimer Körperkontakt und zärtliche Berührungen werden auf MDMA oft viel stärker empfunden als im nüchternen Zustand. Bei MDE und vor allem bei MBDB trifft dies weit weniger zu. Der Wunsch nach Nähe dominiert im Allgemeinen die Gefühlswelt während des E-Films, die aktive Potenz ist nach dem Konsum von MDMA hingegen manchmal reduziert.

Wer beim Sex das Infektionsrisiko von HIV und anderen Geschlechtskrankheiten minimieren will, sollte den Gebrauch von Kondomen auch während des E-Films miteinbeziehen.



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3
D. Rücker (1996): Wissenschaftler finden immer mehr 5-HT-Rezeptoren, in: PZ, Pharmazeutische Zeitung Nr. 40 vom 3. Oktober 1996, S. 54
4
Die 5-HT-2C-Rezeptoren gehören zur 5-HT-2-Rezeptorenklasse, wurden jedoch früher 5-HT-1C-Rezeptoren genannt. Die in älteren Publikationen mit 5-HT-1C bezeichneten Rezeptoren sind identisch mit den heute 5-HT-2C bezeichneten Rezeptoren. Durch diese Umbenennung kommt es häufiger, vor allem in der Sekundärliteratur, zu verwirrenden Angaben in Zitaten und manchmal auch zu falschen Schlussfolgerungen.

Die Entdeckung der verschiedenen 5-HT-Rezeptoren, ihre ursprüngliche Benennung und spätere Umbenennung ist detailliert aufgelistet und beschrieben in: R.A. Glennon, M. Dukat, R.B. Westkaemper (2000): Serotonin Receptor Subtypes and Ligands, in: F.B. Bloom, D.J. Kupfer et al. (2001):
Psychopharmacology – The Fourth Generation of Progress, Philadelphia, Pennsylviana
http://www.acnp.org/G4/GN401000039/Default.htm
5
A.R. Green, A.J. Cross, G.M. Goodwin (1995): Review of the pharmacology and clinical pharrmacology of 3,4-methylenedioxymethamphetamine (MDMA or "Ecstasy"), in: Psychopharmacology (1995) 119, S. 247- 260; Vgl.: G.K. Aghajanian (1993): LSD and phenethylamine hallucinogens: common sites of neuronal action, in: A. Pletscher, D. Ladewig (1994): 50 Years of LSD: Current Status and Perspectives of Hallucinogens – Symposium of the Swiss Academy of Medical Sciences, Lugano-Agno (Switzerland), October 21 and 22, 1993, New York, London, S. 27-41
6
R. de la Torre et al. (2001): Ecstasy component may help researchers measure brain damage from the drug, in: Journal Chemical Research in Toxicology, September 2001
7
Andreas Mayerhofer (2002): Akut- und Langzeiteffekte von 3,4-Methylendioxymethamphetamin (MDMA, "Ecstasy") in Tiermodellen der Sucht und Neurotoxizität, Dissertation der Fakultät für Chemie und Pharmazie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen zur Erlangung des Grades eines Doktors der Naturwissenschaften, Tübingen 2002, S. 158
http://d-nb.info/965404625/34
8
Spitzer, M., Franke, B., Walter, H., Buechler, J., Wunderlich, A.P., Schwab, M., Kovar, K.A., Hermle, L., Gron, G. (2001): Enantio-selective cognitive and brain activation effects of N-ethyl-3,4-methylenedioxyamphetamine in humans, Neuropharmacology, 41 (2001) 263-271
9
David E. Nichols (1986): Differences between the mechanism of action of MDMA, MBDB and the classic hallucinogens. Identification of a new therapeutic class: entactogenes, in: Journal of Psychoactive Drugs 18, S. 305-313

"It seemed that the effect of these drugs was to enable the therapist – or patient – to reach inside and deal with painful emotional issues that are not ordinary accesible. Just as the word "tact" has the connotation of communicating information in a sensitive and careful way so as to avoid offense, it seemed that the Latin root of this word, tactus, would be appropriate as part of the term. Addition of the Greek roots en (within or inside) and gen (to produce) created the term "entactogen", having the connotation of producing a touching within."
10
H. Cousto (1997): Drug-Checking – Qualitative und quantitative Kontrolle von Ecstasy und anderen Substanzen, Solothurn, S. 94