Kaffe und Tabak aus kultur- und Sozialgeschichtlicher Sicht

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11. Schluß

Faßt man abschließend zusammen ergibt sich folgendes Bild. Drogengenuß gehört zur menschlichen Kultur und ist eine wichtige Triebkraft. Gleichzeitig verursacht der Konsum psychotroper Substanzen beim unsachgemäßen Gebrauch Schäden für die Gesellschaft und das Individuum je nach Nebenwirkungen und Suchtpotential der Substanz.

Aufgrund der großen kulturellen Bedeutsamkeit und der Multidimensionalität von Drogen beeinflußt aber entscheidend der gesellschaftliche und individuelle Umgang mit Drogen deren tatsächliche Schäden wie auch auch die Möglichkeit, Nutzen daraus zu ziehen. Dafür ist es aber notwendig Drogen in Hinsicht ihrer Bedeutung, Potentiale, Rollen, Risiken, kurzum in ihrer Vielgestaltigkeit zu sehen und zu propagieren. Konzepte zu einer Entschärfung des Drogenproblems müssen dies insbesondere tun und beachten.

Sozialarbeiter sind dafür auch insofern prädestiniert, da diese Profession und Wissenschaft interdisziplinär arbeitet und auf praktische Hilfe für Gesellschaft und Individuum ausgelegt ist. Damit könnte auch die Rolle und Glaubwürdigkeit der Sozialarbeit gestärkt werden.

Diese Arbeit möchte nur Möglichkeiten einer gesamtkulturellen Sichtweise auf Drogen darlegen und zum Nachdenken und Weiterarbeiten anregen. Ein Gesamtkonzept ist nicht Ziel und Sinn. Trotzdem seien hier einige Anregungen skizziert.

An einer Aufhebung des Drogenverbots, zumindest an einer Lockerung für einige Drogen kommt man angesichts des Versagens des Verbots und dessen kontraproduktiven Rückwirkungen auf die wirklichen Drogen- bzw. Suchtprobleme kaum noch vorbei. Sozialarbeit muß sich da auch öffentlich stark machen und Stellung beziehen. Diese Stellung kann inzwischen gut durch verschiedenste Untersuchungen, eben auch historische, untermauert werden. Über kurz oder lang sind sie nicht mehr zu ignorieren. Der Grund liegt darin, daß das Verbot kontraproduktiv für die Klienten als Individuen ist, die Gesamtgesellschaft schädigt (vor allem finanziell) und effektive Hilfe für wirklich Bedürftige nicht selten vereitelt.

Zudem muß das Hauptaugenmerk auf eine ehrliche Aufklärung gelegt werden. Diese muß Drogen in ihren Bedeutungen, Wirkungen, Dimensionen, Risiken und Gefährdungen genauso einschließen wie Ratschläge für einen möglichst gefahrlosen Gebrauch. Das betrifft natürlich ebenfalls die legal erhältlichen Drogen. Gleichzeitig geht es darum, positive Potentiale von Drogen und Erfahrungen, die man durch sie gewinnen kann, sachlich und ehrlich zu kommunizieren. Dies betrifft dann auch die Selbstkontrolle und Verantwortung der Konsumenten, die entscheidend gestärkt werden müssen. Dazu ist die Förderung von Drogenkompetenz und Drogenmündigkeit eine maßgebliche Voraussetzung.

Sozialarbeit muß sich auch dafür stark machen, bei Problemen wirksam und ohne durch Angst, Strafverfolgung und Unwissenschaftlichkeit durch offizielle Stellen mit effektiven Konzepten Lösungen herbeizuführen. Hoffnung macht die Feststellung, daß es immer mehr fachwissenschaftliche Veröffentlichungen gibt, die der Multidimensionalität von Drogen gerecht werden, wie das Handbuch der Sozialarbeit oder andere in dieser Arbeit benutzte Schriften. 271 *

Insgesamt sollte man Konzepte suchen, die auf ehrliche gesamtgesellschaftlichen Nutzen ausgerichtet sind, in gesundheitlicher, finanzieller, demokratischer, ethischer und effektiver Hinsicht. Dies sind zugegebenermaßen sehr hohe und viele Ansprüche. Die Schaffung eines grundsätzlichen Bewußtseins für Drogen in all ihrer Multiperspektivität und das Entwickeln von sich daran orientierenden Handlungsmöglichkeiten sind deswegen Grundvorraussetzungen für Verbesserungen. Dazu muß man noch etwas bedenken. Wir agieren innerhalb von Kultur, die sich prozeßhaft weiterentwickelt. Also kann eine Lösung auch nur als Prozeß aufgefaßt werden, der kürzer oder länger dauert. Auf jeden Fall könnte auch Sozialarbeit ihn beschleunigen, wenn sie sich stark machen und engangieren würde. Im Hinblick darauf machen Beiträge in sozialpädagogische Fachbüchern Hoffnung, die sich kritisch mit der derzeitigen Lage und Lösungsmöglichkeiten auseinandersetzen, ebenso wie das Thema in der Politik nicht mehr tabu ist.

Aus historischer Sicht muß man sagen: die jetzt verbotenen Drogen werden ihren Weg in die Gesellschaft finden, wenn Menschen sie konsumieren wollen. Die Umstände unter denen das geschieht und die Auswirkungen sind aber beeinflußbar. Nicht in Richtung einer drogen- und drogenproblemfreien Gesellschaft, aber hin zu einer offenen Gesellschaft, die mit diesen Problemen adäquat umgeht.

 


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Otto, Hans Uwe (Hrsg.): Handbuch der Sozialarbeit, Neuwied 2001