DrogenGenussKultur |
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Kaffe und Tabak aus kultur- und Sozialgeschichtlicher Sicht |
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3. Die Wege der Drogen nach EuropaUntersucht man die gesellschaftliche Integration des Kaffees und Tabaks in Europa, fällt vor allem das plötzliche Auftreten und die explosionsartige Verbreitung dieses Paares psychotroper Substanzen auf. Dies war sowohl beim Kaffee wie auch beim Tabak mit vehementen Auseinandersetzungen verbunden. Bevor die Thematik der kulturellen Drogenintegration und im Zusammenhang mit den zeitlichen Faktoren darlegt wird, erachte ich er es als wichtig, in Form eines Überblicks die Wege und Stationen der zwei Drogen aufzuzeigen.
3.1. Abriß der Entdeckungs- und Aufnahmegeschichte des Kaffees3.1.1. Kaffee etabliert sich in Arabien und der TürkeiDie Geschichte des Kaffees ist im Gegensatz zu der des Tabaks und vieler anderer psychotrop wirksamer Pflanzen recht jung. Verläßliche Nachrichten über seinen Gebrauch finden sich im arabischen Raum, wo er zuerst populär wurde, jedoch kaum vor dem 15. Jahrhundert. Die Geschichte des Kaffees in Arabien soll hier trotz der Konzentration auf den europäischen Raum aufgezeigt werden, da der enge Zusammenhang zwischen Drogenwirkung und Begrüßung derselben sich schon hier deutlich zeigt. Außerdem machte die Verbindung des Kaffees mit dem Orient einen Teil seines Reizes in Europa aus. Und schließlich entstanden hier schon die typischen Konsumorte, jedoch auch die ersten Gesetze gegen den Kaffee. Ihre Urheimat hat die Pflanze mit größter Wahrscheinlichkeit in Äthiopien. Dort finden sich auch
heute noch wildwachsende Kaffeesträucher. Im 17. Jahrhundert wuchsen sie so zahlreich, daß sich Reisende, die vom
Kaffee wußten, sich wunderten, warum die Einheimischen sie nicht als Stimulans benutzten, sondern eher als Kuriosität
ansahen. 24 Die vielen wissenschaftlichen Abhandlungen der arabischen Gelehrten- und Ärzteschaft erwähnten
bis ins 15. Jahrhundert den Kaffee praktisch mit keinem Wort. Wie im Orient bemerkte auch im Okzident niemand die
Pflanze und auch kein die Kreuzfahrer begleitender Kräuterkundiger lernte sie kennen. 25 ![]() Abb. 4: Erste authentische Erwähnung des Kaffees, arabisches Manuskript, 1587 Man weiß also nicht, wann genau die Kaffeepflanze auf die arabische Halbinsel kam, wahrscheinlich zwischen
dem 13. und 15. Jahrhundert. Die überhaupt erste authentische Erwähnung des Kaffees findet sich in einem arabischen
Manuskript aus dem Jahre 1587 von Abd al-Qadir al-Jaziri. Der Inhalt dessen wird so interpretiert, daß der Mufti von
Aden, Scheich Jamal al-Din (Scheich Gemaleddin) 1454 in Persien den Kaffeegebrauch kennen lernte und nach dieser Erfahrung
für die Anlage von Kaffeeplantagen im Jemen sorgte. 26 Wie bei fast allen bedeutsamen psychotrop wirksamen Pflanzen, kann man davon ausgehen, daß der Kaffee schon viel früher genutzt wurde, nur wissen wir darüber gar nichts. Der Mufti, der den Kaffee selbst nutzte, bewirkte als Vorbild eine Verbreitung der Kaffeekultur im Jemen. Arabische Kaufleute mögen um dieselbe Zeit den Nutzen der Droge und des Handels mit ihr erkannt und
auch den Anbau forciert haben, denn bereits um 1500 wird Kaffee sackweise zu den arabischen Handelsplätzen transportiert. 27 Um 1510 war Kaffee in Kairo bekannt. Das erste Kaffeehaus in Damaskus wurde 1530 eröffnet, zwei Jahre
später in Aleppo (1532). Bis zur Hauptstadt des Osmanischen Reiches Konstantinopel (Istanbul, auch Stambul genannt)
war es nicht weit, wo man um diese Zeit bereits viel Kaffee trank. 28 Kaffee integrierte sich sehr stark und schnell in dem moslemischen Einflußgebiet. Gut belegen das legendäre Erzählungen zur Herkunft des Kaffees, die recht schnell entstanden. Einem Viehhirten soll das wundersame Verhalten seiner Tiere aufgefallen sein, nachdem sie eine ihm unbekannte Pflanze gefressen hatten. Er bereitete sich aus ihr ein Getränk und verspürte die belebende Wirkung. Der Kaffee war entdeckt! Dieselbe Geschichte gibt es auch in christlichem Gewand, wobei der Viehhirte die Kunde vom seltsamen Verhalten seiner Tiere den Mönchen eines Klosters mitteilt, welche die seltsame unbekannte Pflanze dann finden. Eine weitere, im arabischen Sinne märchenhaft ausgekleidete Version findet sich in der wundersamen Errettung des Helden Omar in der Wüste. Unschuldig in eine lebensfeindliche Steinwüste verbannt, war er dem Verhungern nahe. Schließlich kam er auf die Idee, von dem unbekannten Strauchwerk zwischen den Felsen die roten Beeren zu pflücken und abzukochen. Nach dem Trinken des Suds kehrten seine Lebenskräfte wieder zurück, und er pries Allah. Daraufhin heilte er eine Gruppe Aussätziger in der Wüste mit diesem Getränk. Diese Kunde erreichte natürlich den Kalifen, der ihn rehabilitierte und zum Dank für die Erfindung des Kaffees einen Palast schenkte. Eine weitere Geschichte bezieht sich auf den Propheten Mohammed selbst. Als er krank darniederlag,
soll ihm der Erzengel Gabriel mit einer Schale, die eine schwarze dampfende Flüssigkeit enthielt, erschienen sein.
Er trank davon und war auf der Stelle genesen. Diese und andere Geschichten existieren in vielfältigen Versionen und
zeigen eindrucksvoll, welche hohe Wertschätzung der Kaffee in Arabien schon kurz nach seinem Aufkommen hatte. 30 Trotz der überaus großen gesellschaftlichen Integration des Kaffees gab es auch Gegner und heftige Auseinandersetzungen
bezüglich des Genusses von Kaffee. So ließ der Mufti von Istambul auf Geheiß der Imame den Kaffee und vor allem die
Orte des Konsums (die Kaffeehäuser) verbieten. Kaffee war aber inzwischen so unentbehrlich in der Gesellschaft geworden,
daß er dieses Verbot nicht aufrechterhalten konnte. Das Verbot richtete sich sowieso mehr gegen die öffentlichen Kaffeehäuser
und die sich dort bildende Kultur, als gegen den Kaffee selbst. 31 ![]() Abb. 5: Kaffeetrinkender Wesir, Ausschnitt aus dem Titelkupferstich von Traitez Nouvaux & Curieux du Café, du Thé & du Chocolat von Philippe Sylvestre Dufour, 1685 Obwohl die Arbeit im Kern den europäischen Raum behandelt, möchte ich hier noch kurz etwas zu den
Gründen des Erfolgs im arabischen Raum sagen. Diese hängen eng mit den religiösen Vorschriften des Islam zusammen.
Denn Alkohol ist dem gläubigen Moslem streng verboten, wie überhaupt der rauschhafte Zustand abgelehnt wurde. Kaffee,
als eine den Menschen nüchtern lassende Droge, schien sich gut mit dem Koran vereinbaren zu lassen. 32 Die Kaffeehäuser, die es in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts in jeder größeren Ansiedlung des Osmanischen
Reiches gab, wurden auch für die europäischen Kaffeeschenken zum Vorbild. Die orientalischen Kaffeehäuser waren meist
unscheinbar, mitunter nur für den Straßenausschank ausreichende Bretterhütten. Der Kaffee wurde öffentlich sichtbar
auf dem Feuer zubereitet. In den reicheren Ausführungen konnte man sich bequem setzen, auch für Unterhaltung durch
Musikanten und Tänzerinnen sorgte der Wirt. Mit Spielen vertrieb man sich die Zeit, ebenso durfte die Wasserpfeife
nicht fehlen. 34 Das Kaffeehaus war somit ein wichtiger Treffpunkt und Ort der Kommunikation. Häufig trafen sich hier
Dichter, Literaten und kluge Köpfe, die auch politische und gesellschaftliche Fragen diskutierten. 35
3.1.2. Der Kaffee kommt nach Europa![]() Abb. 6: Erstes europäisches Buch mit der Erwähnung des Kaffees, Titelblatt, 1582 Bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts blieb der Kaffee in ganz Europa völlig unbekannt. Auch kein Reisender oder Handeltreibender erwähnte ihn. Dies änderte sich als in den Jahren 1573-1576 der Augsburger Arzt Leonhard Rauwolf den Orient bereiste
und in Aleppo das Kaffeegetränk kennen lernte. Er war der erste Europäer, der das Getränk und seinen Ausschank, sowie
die Pflanze und deren Frucht beschreibt. Als Forschungsreisender suchte Rauwolf "überall die raresten Kräuter (...)
mit viller Mühe und Gefahr" zusammen. Die Leser erhielten die neue Kunde in seinem 1582 gedruckten Reisebericht. 36 Die Bohnen als solche kannte man schon vorher. Sie tauchen als Abbildung schon in der Drogenkunde des
Arztes Garcia D`Orta (1501-1568) auf, die Carolus Clusius 1574 ins Lateinische übersetzte. Hier wurden auch die erfrischenden
Eigenschaften des daraus bereiteten Getränks beschrieben. 38 Prosper Alpius berichtete 1592 von einem Gewächs namens "cavoa" aus Kairo, wo er sich von 1580- 1584
aufhielt. Sein Werk "De plantis Aegypti Liber" enthält die erste Abbildung der Kaffeepflanze. 39 Als erster Mensch nördlich der Alpen bekam der in Holland lebende Charles de Lecluse im Jahre 1596 Kaffeebohnen zu Gesicht. Schon zu dieser Zeit gelangten wenige Bohnen als Proben durch Privatpersonen nach Europa oder wurden von Venedig aus verschickt. Das englische Wort coffee erschien 1609 das erste Mal in einer dortigen Zeitung, nachdem 10 Jahre zuvor Anthony Sherley als erster Engländer vom Kaffee sprach. Über den Umfang des Kaffeetrinkens und -handels in den ersten zwei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts liegen keine verläßlichen Angaben vor. Hafenstädte, wie London, Amsterdam, Marseille oder Hamburg hatten eine große Bedeutung als Innovationszentren des Kaffeegebrauchs, vereinzelt wird man ihn um die Zeit hier schon getrunken haben. Unbekannte Handelsreisende brachten Kaffee mitunter schon sackweise nach Europa. Auch an den Nordgrenzen des Osmanischen Reiches und in Wien wurde der Kaffee langsam bekannt, bevor die ersten offiziellen Kaffeehäuser aufkamen. Über den privaten Gebrauch in dieser Zeit wissen wir trotzdem so gut wie nichts. In Venedig kam 1624 der erste Großtransport Kaffee an, dessen Handel sich nun langsam zunächst in
Südeuropa ausweitete. 40 Francis Bacon (1561-1621), Philosoph, Gelehrter und Politiker pries als einer der ersten den Kaffee als gehirn- und herzstärkend sowie als verdauungsfördernd an. Diese Sicht auf den Kaffee als Arznei sollte auch in der Debatte um ihn lange eine große Rolle spielen. Betrachten wir später die Gründe für die große Begrüßung des Kaffees im Blick auf die Drogenwirkung. Im Rahmen der Zeitumstände war nicht unerheblich, daß dieser gelehrte Mann das Experiment und die Induktion als Methoden der wissenschaftlichen Erkenntnis anerkannte und propagierte. Der erste bekannte regelmäßig kaffeetrinkende Europäer war der englische Arzt und Anatomieprofessor
William Harvey, der seinen Bedarf über private Verbindungen deckte. Den Kaffeegenuß hatte er in Padua bei seinen arabische
Mitstudenten kennengelernt. Berühmt machte ihn die Entdeckung des menschlichen Blutkreislaufs 1628, die Spötter auf
seinen Kaffeekonsum zurückführten, wodurch er das Blut angeblich wallen fühlte und so auf die Idee kam. Er benutzte
den Kaffee ausdrücklich nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, sondern zum Genuß. 41 Ein Kaufmann aus Merseburg bekam 1631 wohl als erster Deutscher eine Probe Kaffee aus Holland zugesandt.
1635-1639 bereiste Adam Olearius den Orient und berichtete als erster über angebliche Schäden durch den Kaffeegenuß,
nämlich die Impotenz eines Sultans. Spätere Kaffeegegner bezogen sich immer wieder auf dieses Argument. 42 Im Jahr 1644 brachte der Franzose Pierre de la Roque einen Vorrat an Kaffee nebst den Gerätschaften
zur Zubereitung mit nach Marseille und schenkte den Trank an Interessierte aus. Vor allem unter der Ärzteschaft erregte
dies hohes Aufsehen. Er beschrieb auch die Aussaat, Aufzucht und Verarbeitung der Pflanze. Ein Jahr später kamen die
ersten Bohnen nach Paris. Obwohl man dort davon schon gehört hatte, erkannte man sie zunächst nicht. 43 ![]() Abb. 7: Gewand eines Kaffeeschenks, Stich von Larmessin (1684-1755)
Kaffee – Faszination des Orients Schon vor der ersten Kaffeehauseröffnung in Wien 1683 trank man in Privatkreisen den Kaffee. 44 In England, der großen Kolonial- und Seemacht, wurde das erste Kaffeehaus 1650 in Oxford – allerdings ohne
Erfolg – gegründet. 1652 folgte eines in London und nun war der Kaffeegenuß nicht mehr aufzuhalten. 45 In Frankreich muß die Verbreitung des Kaffeegenusses in Kaffeehäusern wohl ebenso schnell vonstatten gegangen
sein wie in England, denn kurz nach der ersten Kaffeehausgründung in Marseille 1671 wurde in Paris ein solches 1672
eröffnet und bereits 1676 wurden die Pariser Cafetiers mit den Limonaden- und Likörverkäufern zu einer Zunft zusammengefaßt. 48 In Holland, welches aufgrund seiner Hafenstädte und des dort abgewickelten Handels schon immer früh
mit Fremdem in Berührung kam, entstand das erste Kaffeehaus 1664 in Den Haag, Amsterdam folgte 1666. 49 ![]() Abb. 8: "Caffe Mensch" im Kaffeehaus, Titelbild der Schrift "Das Curieuse Caffe- Hauß zu Venedig", Freyburg, 1698 1766 machte Friedrich II (Friedrich der Große von Preußen) den Handel von Kaffee zum Staatsmonopol und
ließ Staatskaffeebrennereien errichten, wo man den Kaftfe etwa sechsmal teurer bezahlen mußte als beim Kaufmann. 1780
wurde das Monopol, ganz im Sinne der französischen Vorbilder, auch auf das Rösten von Kaffee ausgedehnt. Kaffee durfte
nur noch in den königlichen Röstereien gebrannt werden (Kaffeebrennzwang) und nur der Adel, Geistliche und höhere Beamte
erhielten sogenannte Brennscheine und durften den Kaffee selbst brennen (rösten); das Landvolk sollte sich nicht an
den Kaffee gewöhnen, damit nicht so viel Geld für den Import von Kaffee aus dem Lande gehe. Zur Kontrolle setzte Friedrich
der Große im ganzen Land französische Soldaten als "Kaffeeschnüffler" ein, die aufgrund des verräterischen Kaffeeduftes
jede Gesetzesübertretung riechen und ahnden sollten. Willkür dieser "Schnüffler", Schmuggel, Beschwerden und zunehmender
Zorn bei den Bürgern waren die Folge. Im Jahre 1787 wurde das staatliche Kaffeemonopol in Preußen wieder abgeschafft,
weil sich die Kontrollen als ineffektiv erwiesen hatten und der Schaden durch den organisierten Schmuggel immens angestiegen
war. 52 Doch auch in Deutschland waren die Kaffeehäuser bald gut gefüllt und man traf sich hier nicht nur zum
Kaffeetrinken. Allerdings entfaltete sich der Kaffeegenuß in Deutschland daneben viel stärker im privaten Raum. 53 Die ersten Kaffeehändler bedienten sich in England wie in Deutschland offensiver Werbemethoden, wie mündlicher
Ausrufer oder gedruckter Aufklärungszettel und Gebrauchsanweisungen, um Kunden zu interessieren. Ebenfalls wurden Probekaffeeküchen
installiert, meistens bevor dann dort ein festes Kaffeehaus folgte. Diese Werbung und die allgemeine Faszination für
fremde Länder, die sich auch in den vielen Reiseberichten dieser Zeit niederschlug, taten ein Übriges zur Verbreitung
des Kaffeegetränks. Auch bei Einzelpersonen konnte man ab 1650 Kaffee probieren. 54 Im 18. Jahrhundert setzte sich der Siegeszug der nun allgemeinen Droge weiter fort, allerdings auch die kontroverse Auseinandersetzung darum. Dabei kam es zu regelrechten Propagandakampagnen, die den Kaffee als ausländischen, neumodischen Luxus und tödliches Gift abqualifizierten bis hin zu erheblichen rechtlichen und repressiven Schritten gegen die Konsumenten und die Droge selbst. Ab ca. 1800 war der Kaffeegenuß dann für jeden uneingeschränkt möglich. Ich möchte an dieser Stelle noch darauf hinweisen, daß neben dem Genuß und dem Verkauf des Kaffees als Getränk natürlich der Anbau und Handel mit dem Rohprodukt immens wichtig wurden. Die Kolonialmächte setzten alles daran, in den Besitz keimfähiger Bohnen und brauchbarer Pflanzen zu kommen, um sie in ihren Kolonien anzubauen. Damit wollten sie vor allem das Monopol des Osmanischen Reiches durchbrechen, das peinlich genau darauf achtete, dass keine keimfähigen Bohnen außerhalb des Landes gelangten. Grüne Bohnen brühte man kurz mit kochendem Wasser ab, um deren Keimfähigkeit auszuschalten. Die Niederländer kamen schon 1616 in den Besitz einer lebenden Pflanze, nachdem eine niederländische Delegation
in Aden zwei Jahre lang den Kaffeeanbau studiert hatte. 1650 brachten die Niederländer die ersten Keffeebäumchen nach
Batavia (Jakarta, Djakarta) auf der Insel Java in Indonesien, ab 1680 wurden dort Kaffeepflanzungen im großen Stil
angelegt, aus denen auch die Moslems mit Kaffee versorgt wurden. 1719 kam der erste javanische Kaffee nach Holland
und in der niederländischen Kolonie Surinam (an der Nordküste von Südamerika, auch Niederländisch-Guayana genannt)
wurden große Kaffeeplantagen angelegt. 55 Im botanischen Garten in Amsterdam gedeihte bereits 1710 eine Kaffeepflanze, die Blüten und rote Früchte
trug. Von dieser Pflanze erhielt König Ludwig XIV. von Frankreich einen Ableger, so daß die erste Kaffeepflanze 1711
in Paris gedeihte. Ab 1715 entstanden in San Domingo (Haiti) auf der Insel Hispaniola die ersten französischen Kaffeeanpflanzungen,
weitere folgten ab 1720 auf Martinique (Insel in der Karibik), Guadeloupe (Inselgruppe der kleinen Antillen in der
Karibik), Bourbon (La Réunion, französische Insel im Indischen Ozean) und in Cayenne (Region in Französisch-Guyana).
Die Portugiesen brachten 1727 die ersten Kaffeepflanzen nach Brasilien und gut hundert Jahre später lieferten die Kaffeeplantagen
in Brasilien mehr als die Hälfte des gesammten in den Handel gelangten Kaffees. Der erste englische Kaffee wurde 1730
auf Jamaika angepflanzt. 56 In Holland und Frankreich war zu dieser Zeit die Ausfuhr von Samen und Setzlingen bei Todesstrafe verboten.
In der folgenden Zeit erfuhr der Anbau eine immense Steigerung durch die enorme Nachfrage, die kontinuierlich bis
in seine heutige Ausdehnung zunahm. 57
3.2. Abriß der Entdeckungs- und Aufnahmegeschichte des TabaksDer Tabak ist ursprünglich eine Pflanze der Neuen Welt. Deshalb ist es einleuchtend, daß Tabak
und sein Gebrauch niemand in Europa vor der Entdeckung Amerikas kannte. Selbst das Rauchen als Form der Drogeneinnahme
war, obwohl in der Frühzeit praktiziert, völlig in Vergessenheit geraten. Die intensive religiös-rituelle, medizinische
und hedonistische Nutzung des Tabaks im alten Amerika zeigt seine enorme psychoaktive Wirksamkeit und auch seine starke
gesellschaftliche Integration. Auf den vielfältigen Einsatz dieser Droge bei den amerikanischen Völkern einzugehen,
würde den Umfang dieser Arbeit allerdings sprengen. 59 Die ersten Europäer, die mit dem Tabakgebrauch in Berührung kamen, waren Christoph Columbus und seine
Gefährten, die Matrosen Rodrique (Rodrigo) de Jerez und Luis de Torrez (Luis de la Torre), am 6. November 1492. Ihnen
begegneten nach ihrer Landung auf der Insel Kuba mehrere einheimische Männer und Frauen, die in Blätter eingewickelte
glühende Kohlen mit pflanzlichen Kräutern bei sich trugen, "tabacos" genannt. An diesen "tabacos" sogen die Leute
und tranken gewissermaßen den Rauch, den sie nach einer Weile wieder aushauchten. Dadurch wurden sie berauscht, jedoch
auch vor Müdigkeit geschützt. 60 Der früheste überlieferte Bericht über den Tabak stammt von dem Christoph Columbus begleitenden Mönch
und Geograph Romano Pane aus dem Jahre 1496, der 1518 sogar Tabaksamen an den König von Spanien Karl I. (ab 1519 Kaiser
Karl V. des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation) sandte. 61 Bereits im 16. Jahrhundert muß der Tabak in Europa allgemein bekannt gewesen sein, zunächst vor allem
als Heilmittel und Medizinalpflanze. 62 "Nach Deutschland soll der Taback schon unter Karl V. gekommen seyn. Konrad Gesner lernte den Taback
1565 kennen. Damals zogen schon verschiedene Botaniker diese Pflanze in ihren Gärten. (...) Die Nachricht, daß der
Gebrauch des Rauchens und Schnupfens im Jahr 1600 aufgekommen sey, ist viel zu unbestimmt, denn in Europa und selbst
in Deutschland war beydes früher gewöhnlich." 63 Bereits 1559 bauten Bauern, wenn auch in geringem Umfang, Tabak in der Gegend von Suhl am Südrand des
Thüringer Waldes an und waren somit wohl die ersten Tabakserzeuger in Deutschland. 64 1558 brachte der Franziskanermönch André Thevet aus Angoulême (Charente, Westfrankreich) erstmals Tabaksamen nach Frankreich. Der Botschafter Frankreichs in Lissabon, Jean Nicot, nach dem die Pflanze und deren Wirkstoff benannt sind, propagierte 1560 den Tabak als Heilmittel. Daraufhin wurde der Tabak unter den Schutz der Königin Frankreichs, Katharina von Medici, gestellt, die durch den Gebrauch von Tabak (Schnupftabak) eine Linderung ihrer Kopfschmerzen erfahren hatte. Der Verkauf von Tabak erfolgte in Frankreich offiziell nur durch Apotheker. Versuche solcher Verkaufsbeschränkungen gab es bis ins 17. Jahrhundert immer wieder, auch Verbote, den Tabak anders als zu medizinischen Zwecken zu nutzen. In der "Cosmographie universelle" des André Thevet aus dem Jahre 1575 erschien auch eine der ersten Abbildungen der Tabakspflanze. Auch in England wurde der Tabaksgebrauch schon im 16. Jahrhundert bekannt. 1585 schrieb ein Herr Camedius folgendes: "Als die Engländer aus Virginia zurückkamen, so haben sie jene indische Pflanze, welche sie die Tabacks-
oder Nicotanische Pflanze nannten und nach dem Unterrichte der Indianer gegen die Cruditäten brauchten, meines Wissens
zuerst gebracht; von der Zeit an wurde ihr Gebrauch sehr allgemein und sie erhielt einen großen Werth, indem sehr
viele ihren starkriechenden Rauch, einige aus Wolllust, andere aus Sorge für die Gesundheit, durch eine irdene Röhre
mit unersättlicher Begierde einziehen und durch die Nasenlöcher wieder von sich blasen so daß es eben sowohl Tabackshäuser
als Bier- und Weinschenken, hin und wieder in den Städten giebt." 65 In England erschien 1604 mit der Schrift "A Counterblaste to Tobacco" des Königs Jakob I. von England
(Jakob IV. von Schottland) die erste englische Antidrogen(hetz)schrift. 66 Ab ca. 1600 breitete sich der Tabakgenuß im Osmanischen Reich und den anderen moslemischen Ländern
aus, seinen Gebrauch belegte der Sultan Murad IV. im gesamten Osmanischen Reich mit drakonischen Strafen. Die Strenge
des Sultans ist legendär geblieben. Der Genuß von Kaffe, Opium, Wein und Tabak wurde unter der Herrschaft von Murad IV.
oft mit dem Tode bestraft, der Sultan selbst starb am 8. Februar 1640 mit 29 Jahren an seiner Trunksucht (Alkoholabhängigkeit). 67 In Russland wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Tabakkonsum vom Klerus als Todsünde angesehen und ab 1633 wurde Tabak mit einem Rauch- und Handelsverbot durch Zar Michael Fjodorowitsch Romanow bei Androhung heftiger Strafen wie das Aufschlitzen der Lippen, die Verbannung oder gar die Todesstrafe. Sowohl im Osmanischen Reich als auch in Russland fruchteten die Maßnahmen nicht und wurden bald wieder eingestellt. Versuche der Einschränkung des Tabakkonsums durch Verbote und Einfuhrzölle, sowie die wirtschaftliche Nutzung
mittels staatlicher Monopolisierung zogen sich durch die gesamte Geschichte des Tabaks – nicht nur in Europa im 17.
und 18. Jahrhundert. 68 Der schon praktizierte Tabaksgenuß erfuhr im Dreißigjährigen Krieg durch umherziehende Soldaten eine erhebliche Steigerung und Verbreitung bis in den letzten Winkel Europas. Von nun an war das Tabakrauchen und Schnupfen bis in jedes kleine Dorf bekannt und verbreitet. 69 Noch ein Wort zu den Konsumgewohnheiten. Auch sie hingen natürlich von den jeweiligen historischen und gesellschaftlichen Faktoren ab. Die Pfeife war von Anfang an in Europa bis zum Ende des 17. Jahrhunderts das Rauchmittel Nummer 1. Sie blieb es auch für die niederen Stände wie die Soldaten, Studenten, Bauern usw. Ganz arme Leute bedienten sich des Kautabaks.
Ab dem 18. Jahrhundert kam das Schnupfen von Tabak in Mode, vor allem in höheren Gesellschaftsschichten
um sich vom gewöhnlichen Volk abzusetzen. Man fertigte in dieser Zeit äußerst kunstvolle Schnupftabakdosen und um
1800 war das Schnupfen auf seinem Höhepunkt angelangt. Das 19. Jahrhundert stand im Zeichen der Zigarre, als Sinnbild
für das erstarkende Handelsbürgertum, aber auch für eine größere Geschwindigkeit innerhalb der Gesellschaft, die schnellere
Konsumarten verlangte. Zeichen dafür ist auch die Zigarette, die das 20. Jahrhundert beherrschte und der Schnelllebigkeit
unserer Zeit Rechnung trägt. 70 Zum Schluß noch etwas zum Begriff des Rauchens an sich. Wie schon gesagt, war diese Konsumart in Europa
ja überhaupt nicht bekannt. Das Wort Rauchen für Paffen und Inhalieren setzte sich erst im Laufe des 17. Jahrhunderts
in Europa durch und dies zeigt offensichtlich, wie neuartig diese Art der Drogeneinnahme auf die Menschen wirkte.
Man behalf sich zuerst mit Begriffen wie "Tabak trinken" oder "saufen", den Genuß bezeichnete man auch als "trockene
Trunkenheit". Damit stellte man zum einen eine Analogie zur damals vorherrschenden Droge Alkohol her, 71
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