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Fachinformation: Kokain |
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6. Risiken und NebenwirkungenDie Verbreitung des Konsums von Kokain war schon immer schwierig zahlenmäßig zu erfassen. Bekannt ist jedoch, dass beispielsweise
in Berlin in den (goldenen) 20er Jahren des letzten Jahrhunderts der Genuss von Kokain in nahezu allen Gesellschaftsschichten sehr beliebt war. Durch die
Sitte des geselligen Gebrauchs von Kokain bildete sich in Berlin eine regelrechte Kokainszene, die mehrere Tausend Personen (Dauerkonsumenten) zählte.
Hinzu kamen Tausende von Gelegenheitskonsumenten, die vornehmlich an Wochenenden Kokain schnupften. Da das Schnupfen von Kokain weniger gesundheitsschädlich
ist als die intravenöse Applikation und Kokain seinerzeit vornehmlich geschnupft wurde, relativierten die Ärzte die Gefahren des Kokainkonsums und stellten
fest, dass die nasale Applikation von Kokain bis auf seltene Ausnahmen nicht zur Entwicklung einer Kokainpsychose führe. Eine gesundheitliche Dauerschädigung
bedingt durch gelegentlichen Konsum konnte nicht beobachtet werden. 24 Bei nasalem Kokainkonsum ist die Reizung der Nasenschleimhäute mit entsprechend starker Absonderung von dünnflüssigem bis schleimigem Nasensekret und Borkenbildung
typisch. Diese führen mit der Zeit zu einer Rückbildung der Schleimhaut, und im weiteren Verlauf kann sich eine Nasenseptumperforation entwickeln, das heißt, dass sich Löcher
in der Nase gelegene, durchgehende Scheidewand bilden. Eine frühzeitige Therapie mit befeuchtenden Nasensalben kann die Beschwerden mildern. Der inhalative Kokainkonsum (in Europa
meist als Freebase) kann z.T. Schwere Lungenschädigungen hervorrufen und zu einem akuten schlimmer werden von bereits vorbestehendem Asthma und chronisch‐obstruktiven Lungenerkrankungen
beitragen. 26 Durch die kokainbedingte Unterdrückung des Hungergefühls kann es im Rahmen chronischen Konsums, insbesondere bei Freebase oder Crack häufig zu einer Gewichtsabnahme kommen bis hin zu Mangelernährungszuständen. 6.1. Akute NebenwirkungenDie Anzeichen einer akuten Überdosierung sind Blutdruckanstieg durch Gefäßverengung, Erhöhung der Pulsfrequenz, Pupillenerweiterung sowie Hitzewallungen (Hyperthermie) in Abwechslung mit Schüttelfrost. Oft beobachtete Folgen einer Kokain-Überdosierung sind Unruhe, Nervosität und Angst, wobei letztere manchmal in aggressives Verhalten münden kann. Eher selten kommt es auch zu Wahrnehmungstäuschungen (Halluzinationen). Bei hohen Überdosierungen kann es zu deliranten Zustände und toxische Psychosen kommen und bei extrem hohen Überdosierung auch zu einem Versagen des Herzkreislaufsystems sowie zum Tod durch eine zentrale Atemlähmung – letzteres vor allem nach dem Rauchen der freien Base. Nebenwirkungen nach chronischer Anwendung (Dauerkonsum)Menschen mit Selbstwertproblemen tragen ein besonders großes psychisches Abhängigkeitsrisiko. Bei Dauerkoksern verstärken sich mit zunehmendem Kokainkonsum die Nebenwirkungen:
Der psychische Entzug bei Kokainabhängigen manifestiert sich durch schwere Depressionen begleitet von der Unfähigkeit, Lust zu empfinden. Es gibt kein Substitutionsmittel für Kokain. Kokain und MedikamenteDie Wechselwirkungen mit MAO-Hemmern führen zu einem starken Blutdruckanstieg, der mitunter tödlich verlaufen kann. Sympathomimetika, Beta-Blocker und trizyklische Antidepressiva sind unter anderem wegen der Gefahr exzessiver Blutdrucksteigerungen ebenfalls kontraindiziert. Efavirenz (Handelsname: Sustiva®, in Österreich Stokrin®) ist ein HIV-Medikament, das besonders in den ersten Einnahmewochen psychoaktiv wirkt. Deshalb sollte man in
der Zeit der Einnahme von Efavirenz kein Kokain konsumieren, da diese Substanzen sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken und psychische Krisen (bis hin zu
Psychosen und Suizid) verursachen können. 27 Konsum bei SchwangerschaftHäufiger Konsum von Kokain während der Schwangerschaft verringert das Geburtsgewicht deutlich und erhöht zudem die Rate an Totgeburten und kongenitalen Missbildungen Vorsicht – Verunreinigungen können tödlich sein!In der Schweiz enthielten im dritten Quartal 2022 etwa 25,6 Prozent aller analysierten Kokainproben Streckmittel. Ein Großteil davon enthielt das Mittel gegen Wurmbefall Levamisol (17,7 Prozent der Proben). Früher wurden häufig dem Kokain die in Apotheken freiverkäuflichen und im Vergleich zu Kokain sehr billigen Lokalanästhetika
Lidocain und Tetracain zugesetzt. Heute ist das nur noch selten der Fall – in etwa 2 Prozent der Proben. Durch Streckmittel erhöht
sich die Gewinnspanne der am Handel beteiligten Akteure. Einer der Hauptgründe für den häufigen Lidocainverschnitt liegt in der lokalanästhetischen
Wirkung dieses Stoffes, durch den beispielsweise beim Zungentest Kokain leicht vorgetäuscht werden kann. Besonders problematisch ist
Lidocain- oder Tetracainverschnitt, wenn Kokain weder geschnupft noch geraucht, sondern intravenös injiziert wird. Allein in Berlin
waren in den Jahren 1995 bis 1998 insgesamt 46 Todesfälle im Zusammenhang mit Lidocain und 13 weitere Todesfälle durch Tetracain zu verzeichnen,
bei denen sehr hohe Blutkonzentrationen von Lidocain- und Tetracain-Metaboliten ursächlich beziehungsweise maßgeblich als Todesursache
festgestellt wurden. 28 Im November und Dezember 2004 war in Europa ein Kokain-Atropin-Gemisch, das als besonders hochwertiges Kokain zu überhöhten
Preisen angeboten wurde, im Umlauf. In mehreren Ländern der Europäischen Union (Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande) wurden insgesamt
57 Personen aufgrund des Konsums dieses Gemisches mit Vergiftungserscheinungen in Krankenhäuser eingeliefert. Eine Person ist nach
dem Konsum dieses Gemisches gestorben. Atropin bewirkt eine Beschleunigung des Pulsfrequenz, das Auftreten von Herzrhythmusarrhythmien
(unregelmäßiger Pulsschlag), das Auftreten einer Peristaltikhemmung (Verhinderung der Weiterleitung der Nahrung im Magen und im Darm),
das Auftreten von Spasmolysen (Krämpfe) im Mastdarm und in der Blase wie auch im Bereich der Bronchen, eine Hemmung der Speichel-
und Schweißsekretion und eine Erweiterung der Pupillen in Verbindung mit einer Steigerung des Augeninnendrucks. 29 Phenacetin ist ein Aminophenol-Derivat und wurde zur Schmerzbehandlung und Fiebersenkung verwendet. Da Phenacetin bei häufigem hochdosierten Konsum nierenschädigend (Phenacetin-Niere) sowie das Risiko von Harnleiter- und Blasenkrebs (karzinogene Wirkung) erhöht ist, wurde dieses Arzneimittel 1986 in Europa aus dem Verkehr gezogen. Phenacetin kann in hohen Dosen auch Erregung und Euphorie auslösen und wird wohl deshalb als Kokainstreckmittel eingesetzt. Levamisol ist derzeit das am häufigsten in Kokainproben nachgewiesene Streckmittel. Im dritten Quartal 2022 enthielten etwa 17,7 Prozent aller untersuchten Kokainproben in der Schweiz das Streckmittel Levamisol. In den Jahren 2014 und 2015 waren es noch jeweils etwa 75 Prozent. Levamisol wird in der Tiermedizin gegen Wurmbefall eingesetzt. Es wurde ursprünglich als Mittel gegen Fadenwürmer (Antihelminthikum) genutzt, wird aber seit 2004 wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen nicht mehr in der Humanmedizin eingesetzt. Häufige akute Nebenwirkungen sind Erbrechen und Durchfall, die Verdauung kann auch am Folgetag noch gestört sein. Zudem können allergische Reaktionen (Atemnot, Hautausschläge, Anschwellung der Lippen, Zunge oder des Gesichts), Störungen des Nervensystems (Taubheitsgefühl bis zu Bewusstlosigkeit, starke Müdigkeit) sowie Sprechprobleme auftreten. Die gefährlichsten Nebenwirkungen sind die aplastische Anämie, die Agranulozytose, und die Vaskulitis. Erstere führt durch einen Mangel an weißen Blutkörperchen zu einer stark reduzierten Abwehr gegen schwere Infektionen (Immunschwächung). Die Agranulozytose ist eine starke Verminderung der Granulozyten einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen. Die Vaskulitis führt durch Verschluss kleiner Blutgefäße zum Absterben (Nekrosen) von Hautarealen. Eine weitere Gefahr droht durch den Abbau von Levamisol zu Aminorex (amphetamin-ähnliche Substanz) im menschlichen Körper; Aminorex musste als Appetitzügler vom Markt zurückgezogen werden, da es zu pulmonaler Hypertonie (= lebensgefährlicher Lungenhochdruck) führte. Dieses Risiko kumuliert sich bei einer wiederholten Einnahme von Aminorex. Der Lungenhochdruck stellt sich dabei nicht akut während des Konsums ein, sondern kann sich unter Umständen erst nach einigen Monaten in zunehmend eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit, Kreislaufstörungen und Müdigkeit äußern. Symptome wie Schüttelfrost, Infektionen in Bereichen der Atemwege, Analgegend, Hals, etc. können im Zusammenhang mit der Einnahme von Levamisol stehen. Diese müssen ärztlich begleitet und mit Antibiotika behandelt werden. Levamisol wird als Streckmittel verwendet, da es die Wirkung von Kokain sowohl verstärkt als auch verlängert.
7. Rechtliche AspekteBis Ende Frühling 1896 war Kokain in Apotheken frei erhältlich. Erst mit der Bekanntmachung vom 22. Juni 1896 betreffend die Abgabe stark
wirkender Arzneimittel sowie die Beschaffenheit und Bezeichnung der Arzneigläser und Standgefäße wurde in Preußen die Wiederholte Abgabe von
Betäubungsmitteln und anderen stark wirkenden Arzneimittel von der Vorlage eines ärztlichen Rezeptes abhängig gemacht. 30 Auch das erste deutsche Opiumgesetz vom 30. Dezember 1920 (RGBl. 1921 I S. 2) änderte in der Praxis wenig, da das Verhältnis zwischen Arzt und Patient keiner rechtlichen Regelung unterlag. Dies änderte sich erst mit der Einführung des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) vom 10. Dezember 1929 (RGBl. I S. 215), das am 1. Januar 1930 in Kraft trat. Mit Einführung des neuen Gesetzes war das Arzt-Patienten-Verhältnis staatlichen Regulierungen unterworfen und es gab Vorschriften über zulässige Höchstmengen bestimmter Arzneimittel sowie über die Art und Weise der Verschreibung. Kokain ist heute in Anlage III zu § 1 BtMG 32 Gemäß Straßenverkehrsgesetz (§ 24a StVG) 34 Weitere Informationen zur Fahrerlaubnis und Medizinisch-Psychologischer Untersuchung (MPU) siehe: ADAC. |
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