DrogenGenussKultur |
|||||||||
DrogenGenussKultur |
|||||||||
|
|
Fachinformation: |
|
||||||
6. Risiken und NebenwirkungenBis 1997 war der Gebrauch von GHB als Freizeitdroge in Deutschland wenig verbreitet. Dies änderte sich jedoch schlagartig nach einer bundesweiten Pressekampagne, die der damalige Bundesdrogenbeauftragte Eduard Lintner (CSU) vor der Love Parade in Berlin im Juni 1998 inszinierte. Unter Berufung auf die "Welt am Sonntag" vom 21. Juni 1998 und auf diverse Nachrichtenagenturen (AFP: Neue Designer-Droge in deutscher Techno-Szene aufgetaucht – Zahl der Drogentoten drastisch gestiegen, Agenturmeldung vom 20.06.1998; DPA: Mehr Drogentote – Drogenbeauftragter warnt vor "Liquid Ecstasy", Agenturmeldung vom 21.06.1998; AP: Bundesregierung warnt vor neuer Designerdroge, Agenturmeldung vom 21.06.1998) erschienen unter Ängste schürenden Überschriften zahlreiche Artikel zu einer angeblich neuen Designerdroge namens "Liquid Ecstasy", in denen der Bundesdrogenbeauftragte Eduard Lintner zitiert wurde: "Wie bei Ecstasy-Tabletten handelt es sich um eine höchst gefährliche Substanz, die zunächst euphorisiert, dann Übelkeit, Erbrechen und Atemnot bis zu schweren Atembeschwerden, Anfällen und Komazuständen erzeugt. [...] Den Konsumenten, die meist aus der Techno-Szene stammen, droht ein totaler Horrortrip." Weiter hieß es, in Diskotheken in Herford und Bielefeld seien größere Mengen sichergestellt worden. Keine der oben bezeichneten Nachrichtenagenturen und kaum eine Zeitung meldete jedoch, als sich herausstellte, dass die Bielefelder Drogenfahnder keinen einzigen Tropfen "Liquid Ecstasy" beschlagnahmten und dass "Liquid Ecstasy" keine neue Designerdroge ist, sondern ein altbekanntes verschreibungspflichtiges Medikament, das unter dem Namen "Somsanit" im Handel erhältlich ist. "Somsanit" ist ein eingetragenes Warenzeichen der Dr. Franz Köhler Chemie GmbH. Anwendungsgebiete gemäß Beipackzettel der Firma Köhler des im allgemeinen intravenös verabreichten Medikamentes sind: Kaiserschnittentbindungen und Geburtsanästhesie, Unfallchirurgie und Risikofälle aller Art, lang andauernde Operationen, Herzkathetisierung, Neurochirurgie und Kinderchirurgie. Dass Lintner, der der Techno-Szene äußerst Medienwirksam den "totalen Horrortrip" vorausgesagt hatte, am folgenden Montag von seinem Szenario abrückte, war kaum in einer Zeitung nachzulesen. Eine der wenigen erhellenden Ausnahmen stellte in diesem Fall der Kölner Stadtanzeiger dar. Axel Spilker berichtete in der Ausgabe vom 23.06.1998 über die Falschmeldung des Bundesdrogenbeauftragten ausführlich unter der Überschrift: "Lintner tritt den Rückzug an. Vermeintliche Superdroge "Liquid Ecstasy" existiert nur in der Phantasie.." Bis Sommer 1998 wurde GHB in Deutschland außer als Arzneimittel in der Chirurgie vorwiegend nur als Leistungssteigerungsmittel (Doping-Stoff) im Bereich des Hochleistungssports und von Body-Buildern gebraucht. In der Partyszene war GHB bis dahin wenig verbreitet und kaum bekannt. Erst durch die vom Bundesdrogenbeauftragten ausgelöste Berichterstattung in den Medien wurden viele auf diesen sogenannten "neuen" Stoff aufmerksam und GHB hielt rasch Einzug in diverse Gesellschaftskreise, so auch in der Party- und Technoszene. Die Überschriften der Agenturmeldungen, die einen Anstieg der Zahl der Drogentoten mit dem Konsum von GHB in der Szene verknüpften, haben mit
der Realität überhaupt nichts zu tun. So kann man im Bericht "Report on the Risk Assessement of GHB in the Framework of the Joint Action on New
Synthetic Drugs" der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht vom 29.09.2000 nachlesen, dass in der Europäischen Union im
Zeitraum vom September 1995 bis Januar 2000 insgesamt 11 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von GHB jenseits des medizinischen Gebrauchs registriert wurden.
Vier Fälle waren im Vereinigten Königreich (UK), vier in Schweden, zwei in Finnland und einer in Dänemark zu beklagen. Zudem wurden zwei Fälle aus
Norwegen (nicht EU-Mitglied) gemeldet. Im gleichen Zeitraum wurden in den Ländern der EU insgesamt etwa 200 Personen wegen Komplikationen aufgrund
übermäßigen Konsums von GHB (zum großen Teil in Kombinationen mit anderen Drogen) als Notfallpatienten in Krankenhäuser eingeliefert. 25 EU Mitgliedstaaten berichten selten über Todesfälle im Zusammenhang mit GHB/GBL. Die Fallstudie "GHB und dessen Grundstoff GBL,
Fallstudie über einen neuen Trend " berichtet: "Es gibt einen Mangel an akkuraten und vergleichbaren Systemen zur Erfassung der Anzahl der
Todesfälle und nicht-tödlichen Notfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von GBH und dessen Grundstoffen." Gerichtsmedizinische Analysen sind
schwierig aufgrund des engen Zeitfensters, in dem GHB nachweisbar ist (6-8 Stunden im Blut; 10-18 Stunden im Urin). Es ist auch wichtig anzumerken, dass GHB in kleinen
Mengen auf natürliche Weise im Körper vorkommt und im Verwesungsprozess entsteht. 27 Zum Vergleich: Bis im Juli 1999 sind 564 Todesfälle bekannt geworden, die im Zusammenhang mit der Einnahme von Sildenafil (Viagra®) stehen.
Pro Million Verschreibungen von Viagra entspricht dies einer Todesrate von 49 Fällen. (JAMA, Medical News & Perspectives, Vol. 283 No. 5, February 2, 2000). Das
Risiko, nach der Einnahme von Viagra zu sterben, liegt somit bei 1 zu 20.500. Das Risiko, an Ecstasy zu sterben, ausgedrückt durch das Verhältnis der Zahl der
Todesfälle zu jener der Konsumenten, ist dagegen sehr klein (mindestens 50 mal kleiner bis maximal 850 mal kleiner). Es liegt minimal bei einem Todesfall auf
17.000.000 Konsumenten bis maximal einem auf 1.000.000 Konsumenten. (Schweizerisches Bundesgericht, BGE, 125, 90 ff; Aktenzeichen 6S.288/1998/rei; Entscheid
Kassationshof, Sitzung vom 21.04.1999). 28 Eine lebensgefährliche Verstärkung der GHB-Wirkung (Atemdepression, Koma, epileptische Anfälle) ist bei Patienten, die Proteasehemmer
einnehmen, verschiedentlich beobachtet worden. Dies gilt auch bei einer relativ geringen Dosis, die man früher (ohne Proteasehemmer) gut vertragen hat. In
Anwesenheit von Proteasehemmern wie Ritonavir (Norvir®) und Saquinavir (Invirase®) oder dem nichtnukleosidischen
Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) Efavirenz (Sustiva®) kann es zu erhöhten GHB-Konzentrationen und damit verlängerter und
verstärkter Wirkung dieser Substanz kommen. Erhöhte respektive toxische GHB-Spiegel können epileptische Anfälle, einen verlangsamten Herzschlag,
eine Atemdepression sowie einen völligen Bewusstseinsverlust auslösten. Da in Studien nur einzelne Substanzen getestet werden, sind Wechselwirkungen mit
weiteren Substanzen trotz Nicht-Nennung nicht ausgeschlossen. 30 Als nachteilig nach dem Konsum von GHB in höheren Dosierungen wird das häufige Auftreten von Myoklonien (kurze ruckartige Zuckungen einzelner
Muskeln) und Erbrechen, das gelegentliche Auftreten von metabolischer Azidose (Störung im Säure-Basen-Haushalt mit Abfall des aktuellen Bicarbonatpegels) und
Hypokaliämie (Elektrolytstörung mit Erniedrigung des Kaliumpegels) sowie in Einzelfällen unkalkulierbar lange klinische Wirkdauer beschrieben. Diese
Nebenwirkungen treten auch beim Monokonsum von GHB auf, das heiß, nach einem Konsum von GHB ohne Einnahme von weiteren Substanzen, jedoch seltener als nach einem
Mischkonsum. Gemäß einer Analyse von 141 Fällen von Überdosierungen mit GHB respektive mit GBL aus den Jahren 1995 bis und mit 2003 des
Schweizerischen Toxikologischen Informationszentrums mussten 8% der Patienten nach überdosiertem Monokonsum kotzen, bei Mischkonsum mit Alkohol waren es 32%. Auch
die Wahrscheinlichkeit in ein so tiefes Koma zu fallen, dass man nicht mehr ansprechbar ist (non-reactive coma), ist nach einem Mischkonsum weitaus größer
als nach einem Monokonsum. So fielen 18% der Patienten nach einem Monokonsum in ein tiefes Koma, jedoch 32% der Patienten nach einem GHB/GBL-Alkohol-Mischkonsum und 38%
der Patienten, die außer GHB/GBL mehr als nur eine weitere Droge konsumierten. Eine körperliche Abhängigkeit von GHB respektive von GBL wurde nur sehr
selten beobachtet und nur bei Personen, die über einen längeren Zeitraum hinweg täglich mehr als 20 Gramm GHB respektive GBL konsumierten. Da die
Entzugssymptome nicht lange andauern, brauchen die Patienten nur eine Behandlung während der kritischen Phase und müssen nicht in eine psychiatrische Klinik
eingewiesen werden. 31 Mit einer therapeutischen Breite von 1:30, das heißt mit einem Verhältnis von 1:30 zwischen der therapeutischen und der tödlichen Dosis,
ist eine Überdosierung mit GHB bei bestimmungsgemäßer Anwendung nahezu ausgeschlossen. Sollten sich im Einzelfall zu lange Nachschlafzeiten ergeben
oder andere unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, kann der Patient von einem Arzt mit dem Parasympathomimetikum Physostigmin (Anticholium®)
antagonisiert werden. Dazu wird initial 2 mg Physiostigmin intramuskulär oder sehr langsam intravenös appliziert und bei Bedarf 1 bis maximal 4 mg alle 20
Minuten bis zu 8 Stunden nachgespritzt. 32 Hinweise zu Risiken und Nebenwirkungen
7. Rechtliche AspekteMit der Sechzehnten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften (16. BtMÄndV) 33 Mit der 16. BtMÄndV wurde auch der Umgang mit den Estern, Ethern und Molekülverbindungen des GHB den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften
unterstellt. Doch das Verbot eines allgemeinen Umgangs mit diesen Estern, Ethern und Mölekülverbindungen (zu denen auch GBL, BDO und THF gehören)
hätte bedeutet, viele Herstellungsprozesse aus dem Bereich der organischen Chemie sofort einstellen zu müssen. Deshalb wurde mit der 17. BtMÄndV 35 Gemäß Straßenverkehrsgesetz (§ 24a StVG) 37 Weitere Informationen zur Fahrerlaubnis und Medizinisch-Psychologischer Untersuchung (MPU) siehe: B-N-F Beratungs-Netzwerk-Fahreignung. Der Handel mit Gamma-Butyrolacton (GBL) zu Konsumzwecken ist in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Arzneimittelgesetz strafbar. Dies entschied der
Bundesgerichtshof am 8. Dezember 2009. 39 Etwa ein Monat nach dieser Urteilsverkündung wurden europaweit polizeiliche Durchsuchungen nach dem AMG durchgeführt. Am 13. Januar 2010
durchsuchten mehr als 1560 Polizeibeamte unter Federführung der Staatsanwaltschaft Nürnberg/Fürth 350 Objekte im gesamten Bundesgebiet, in
Österreich, der Schweiz und Slowenien. Bei dieser Durchsuchungsaktion, die als eine der größten in der Bundesrepublik Deutschland gegen die
Verbreiter synthetischer Drogen bezeichnet werden kann, waren 323 Beschuldigte im Visier der Fahnder. Die Staatsanwaltschaft legte den Beschuldigten unerlaubtes
Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel gemäß § 95 AMG zur Last. Sie hatte den Verdacht, dass diese seit dem Jahr 2007 in einer Vielzahl von
Fällen GBL (Gamma-Butyrolacton) bezogen und zum Verkauf vorrätig gehalten haben. 41 |
||||||
|